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An solchen Tagen könnte ich ...

Maggie Milton

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meinen <strong>An</strong>trag auf einen neuen Personalausweis abgeben musste. Außerdem litt<br />

Elvira unter unheilbarer Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft. Das machte sie<br />

liebenswert. Meine Kollegen und <strong>ich</strong> waren dankbar, dass wir immer frisch gekochten<br />

Kaffee oder Tee auf unseren Schreibtischen hatten. Außerdem versorgte sie die<br />

Grünpflanzen, was auch n<strong>ich</strong>t zu verachten war. Und sie konnte prima mit den<br />

Brummifahrern umgehen und die Gemüter beruhigen. Wenn sie mit ihren exquisit<br />

langen Wimpern klimperte, hatte sie schon fast gewonnen. Wieder ein Beweis dafür,<br />

dass wir Männer nur einfach gestrickt sind.<br />

Dafür verr<strong>ich</strong>teten wir stillschweigend neben unserer Arbeit einige Aufgaben, die zu<br />

ihrem Job gehörten. Wir bildeten sozusagen eine Symbiose, Elvira Kornblum, Ralf<br />

Sibelius, Hans Winkelhaus und <strong>ich</strong>.<br />

Hans war ein baumlanger Kerl Mitte vierzig mit Bodybuilderausmaßen und dem<br />

Temperament eines Bären, der wegen zu großer Hitze vor seiner Höhle<br />

eingeschlafen war. Er färbte s<strong>ich</strong> die mittlerweile ergrauten Haare blond mit<br />

dunkleren Spitzen. Den Sinn begriff <strong>ich</strong> nie, weil er dadurch im ersten Moment<br />

aussah, als trüge er eine Mütze. Seine blauen Augen hatte er hinter einer getönten<br />

Brille versteckt. Er vertrat die irrige Auffassung, dass wirke cool. Im Gegensatz zu mir<br />

und Ralf Sibelius war er stets in teure Armanianzüge gehüllt. Allerdings wurde der<br />

<strong>An</strong>schein von Eleganz dadurch ruiniert, dass bei <strong>An</strong>spannung seiner Muskeln die<br />

Nähte zu platzen drohten. Außer dem Kraftsport liebte er noch seine Arbeit und war<br />

ein angenehmer Kollege.<br />

Ralf Sibelius hatte die fünfzig bereits überschritten und in sein Ges<strong>ich</strong>t hatte ein<br />

permanentes Magenleiden tiefe Kerben eingegraben. Er war überdurchschnittl<strong>ich</strong><br />

nervös und erinnerte an einen ganzen Stall voll aufgescheuchter Hühner, die<br />

gackernd und planlos in alle Himmelsr<strong>ich</strong>tungen rennen, weil Nachbars Kater durch<br />

ein Schlupfloch Einlass begehrte. Er war klein und so dünn wie die obligatorische<br />

Mittwochssuppe in unserer Kantine. Trotzdem trank er bei Stress viel Kaffee, wobei<br />

ihn das Koffein noch mehr aufputschte, und er schließl<strong>ich</strong> bei einem Blutdruck<br />

jenseits der 200 landete. Dadurch wurde ihm dann schwindlig und er fiel einfach um.<br />

Der Werksarzt bemühte s<strong>ich</strong> zu diesen jeweiligen <strong>An</strong>lässen sogar ins Büro. Vielle<strong>ich</strong>t<br />

auch nur, um mit Elvira zu plaudern, ihr in den Ausschnitt zu sehen und einen Kaffee<br />

zu trinken. Er schickte Ralf dann regelmäßig nach Hause, mit der Ermahnung, etwas<br />

für s<strong>ich</strong> zu tun.<br />

<strong>An</strong> diesem Spätsommertag war Ralf trotz der allgemeinen Arbeitshektik recht ruhig<br />

geblieben und wir beschlossen nachmittags um drei unsere versäumte<br />

Frühstückspause inklusive Mittag nachzuholen, wenn auch n<strong>ich</strong>t in voller Länge.<br />

Hans mixte s<strong>ich</strong> einen Proteindrink und Ralf lief auf und ab, in einer Hand eine<br />

Leberwurststulle, in der anderen einen Apfel. Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> konnte er s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

entscheiden, was er nun zuerst verspeisen sollte, weil er beide Objekte abwechselnd<br />

begutachtete, ohne hinein zu beißen. Meine Frau Mona Marie hatte mir eine große<br />

Vesperdose mit Sandw<strong>ich</strong>s und Obst eingepackt. Sie behauptete, mein Appetit hätte<br />

athletische Ausmaße und <strong>ich</strong> bräuchte deshalb eine XXL Mahlzeit.<br />

Elvira begab s<strong>ich</strong> mit dem Kaffeetopf kurz noch einmal in das Truckerkabuff. In der<br />

anderen Hand hielt sie eine Banane und begann, diese dezent zu verspeisen. Wir<br />

hörten daraufhin Pfiffe und Gejohle aus dem Raum und Elvira kam achselzuckend<br />

wieder zurückgestöckelt. Sie setzte s<strong>ich</strong> kerzengerade an ihren Schreibtisch und

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