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Cleo zieht ein<br />
Ich erinnere m<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> immer und vehement gegen Hunde in unserem<br />
Haus gewehrt habe. Ich war ein begeisterter Katzenliebhaber. Von Kindheit an<br />
hatten sie m<strong>ich</strong> begleitet. Unzählige graue, schwarze, weiße, rote bunte, getigerte<br />
Katzen. Diese eleganten, eigenwilligen Geschöpfe auf vier Samtpfoten kannte <strong>ich</strong>.<br />
Hunden gegenüber empfand <strong>ich</strong> jedoch einen gehörigen Respekt und suchte eine<br />
spürbare Distanz zu ihnen.<br />
Dann kam jener verhängnisvolle Tag, an dem Mona Marie Cleo anschaffte. Cleo war<br />
eine hübsche Schäferhündin mit großen Ohren, die wie <strong>An</strong>tennen aufgestellt waren,<br />
damit ihnen nur kein Geräusch entging. Und es entging ihnen tatsächl<strong>ich</strong> keines! <strong>An</strong><br />
unserem Haus konnte s<strong>ich</strong> niemand vorbei schle<strong>ich</strong>en, ohne dass Cleo bellend zur<br />
Tür schlitterte. Schlitterte, wegen der glatten Fliesen. Als <strong>ich</strong> sie vor vielen Jahren<br />
legte, rechnete <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t damit, dass wir jemals bellende und rennende<br />
Hausgenossen haben würden.<br />
Als die Schäferhündin etwa vier Monate alt war, fand man sie in der Stadt. Sie irrte,<br />
offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> ausgesetzt, umher. Das Tierheim kümmerte s<strong>ich</strong> kurze Zeit um sie,<br />
dann fand s<strong>ich</strong> ein neuer Besitzer. Leider stellte s<strong>ich</strong> heraus, dass dieser s<strong>ich</strong><br />
mehrere Schäferhunde auf einem abgewrackten Bauernhof hielt. Wenn der Schuft<br />
betrunken war, und das war sein Dauerlieblingszustand, trieb er seine Hunde mit der<br />
Peitsche über den Hof. Irgendwann meldeten Nachbarn dieses abartige Treiben dem<br />
Tierschutz. Also landete Cleo wieder im Tierheim und dann bei uns.<br />
<strong>An</strong> diesem schwülen Spätsommertag war es also so weit. Mona Marie hatte m<strong>ich</strong> auf<br />
der Arbeit angerufen und mir ber<strong>ich</strong>tet, dass Tim s<strong>ich</strong> für Cleo entschieden hatte und<br />
sie am Mittag den Hund holen würden. Mir war ein wenig bang, als <strong>ich</strong> am<br />
Nachmittag in meinen alten, pinkfarbenen VW Bus stieg. Ich str<strong>ich</strong> über das Lenkrad:<br />
„Nun, mein Alter, jetzt bekommen wir Zuwachs. Dann wollen wir mal. Wer weiß, was<br />
uns jetzt zu Hause erwartet!“ Ich startete und fuhr los.<br />
Es war n<strong>ich</strong>t weit und nach ein paar Minuten bog <strong>ich</strong> in unseren kleinen Ort ein. Hier<br />
kennt jeder jeden, was manchmal recht anstrengend ist. Das zeigte s<strong>ich</strong> auch heute.<br />
Kurz nach der Einfahrt kam mir schon der grüne Mercedes von Arno Schwalm<br />
entgegen. Ich hob die Hand zum Gruß und wollte schwungvoll weiterfahren, er aber<br />
blieb stehen und kurbelte sein Seitenfenster herunter. Also musste <strong>ich</strong> auch stehen<br />
bleiben. Ich bin ein höfl<strong>ich</strong>er Mensch.<br />
„Hallo Heinr<strong>ich</strong>!“, rief er fröhl<strong>ich</strong>. „Netten Hund habt ihr jetzt!“ Er lachte und fuhr<br />
weiter. Ha, ha! Na schön, alle wissen Bescheid! Nach ein paar Metern traf <strong>ich</strong> auf<br />
<strong>An</strong>negret Schröder. Sie fegte gerade den Bürgersteig vor ihrem Haus und winkte mir<br />
heftig mit dem Besen zu, als sie m<strong>ich</strong> sah. Dabei lachte sie meckernd. Mit ihren<br />
zerzausten, rotblonden Locken, die wirr vom Kopf abstanden, machte sie dabei den<br />
Eindruck, als wolle sie s<strong>ich</strong> jeden Moment auf das Kehrgerät schwingen und ihn als<br />
Zweitwagen missbrauchen. Ich hielt an und sie kam um den Bus herum an die<br />
Fahrerseite.<br />
„Guten Tag Heinr<strong>ich</strong>!“, grüßte sie. „Hübschen Hund habt ihr jetzt. Wurde aber auch<br />
Zeit, jeder hat hier einen. Mach’s gut!“ Sie gab dem Bully einen Klaps, als handelte