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Dieser Mann war <strong>ich</strong>. Ich – Heinr<strong>ich</strong> Wetter, in den Vierzigern und gerade dabei<br />
meiner Familie einen Wunsch zu erfüllen und mir einen Albtraum zu bescheren.<br />
Ich sah meine Frau Mona Marie – zur Zeit braunhaarig mit blonden Ponyfransen –<br />
an. Sie hatte s<strong>ich</strong> auf die Bank gesetzt. Als sie meinen Blick auffing, zuckte sie le<strong>ich</strong>t<br />
die Schultern, sah dann nach unten und bearbeitete mit einem Papiertaschentuch<br />
einen Fleck auf ihrer Jeans. Das Tempo zerkrümelte dabei und hinterließ weiße<br />
Fusseln auf dem Stoff, die nun wiederum auch intensiv entfernt werden mussten.<br />
Unser Sohn Tim stand vor dem Regal mit den Büchern. Ab und zu nahm er s<strong>ich</strong><br />
eines heraus und blätterte scheinbar interessiert darin herum. Er war fünfzehn und<br />
einsachtundsiebzig groß mit braunem Haar und braunen Augen.<br />
Nun, wir beschäftigten uns gerade in diesem Raum so sinnvoll wie mögl<strong>ich</strong>, als die<br />
Tür aufging und unser Herumlaufen, Putzen und Blättern ein gnädiges Ende finden<br />
konnte. Herein kam eine Frau mittleren Alters mit energischen Ges<strong>ich</strong>tszügen, lässig<br />
in Jeans und mit einem zu weitem Männerhemd bekleidet. Sie schleppte keuchend<br />
einen großen Korb aus Weidengeflecht mit einem ganz besonderen Inhalt.<br />
Vors<strong>ich</strong>tig stellte sie den Behälter auf den Tisch.<br />
„Die sind schon ganz schön schwer!“ Sie wischte s<strong>ich</strong> den Schweiß von der Stirn. Auf<br />
dem ersten Blick lagen in dem ausgepolsterten Korb nebeneinander aufgereiht sechs<br />
große, fette, schwarze Meerschweinchen – in Zwergdackelgröße.<br />
„Bitte n<strong>ich</strong>t anfassen!“, sagte die Frau. „Sie sind noch sehr empfindl<strong>ich</strong> und<br />
infektionsanfällig.“<br />
Auf dem Tisch stand ein Karton mit Latexhandschuhen. Sie streifte s<strong>ich</strong> ein Paar<br />
über, nahm liebevoll eines der Meerschweinchen heraus und hielt es hoch. Nun<br />
konnte man sehen, dass die Unterseite weiß war, die Pfoten und die Schwanzspitze<br />
ebenfalls und wie eine Maske zog s<strong>ich</strong> das Weiß von der Schnauze spitz zulaufend<br />
zwischen die Augen durch bis auf den Kopf, wie eine Irokesenfrisur. Die Beinchen<br />
waren rostbraun, an der Schnauze wiederholte s<strong>ich</strong> diese Farbe. Alles andere war<br />
schwarz.<br />
„Diese sechs sind noch n<strong>ich</strong>t verkauft!“ Zärtl<strong>ich</strong> drückte die Züchterin den kleinen<br />
Hund – denn es waren natürl<strong>ich</strong> vierzehn Tage alte Welpen und keine<br />
Meerschweinchen – an s<strong>ich</strong>, so als ob sie ihn gar n<strong>ich</strong>t hergeben wolle, und <strong>ich</strong> kann<br />
n<strong>ich</strong>t behaupten, dass mir dieser Gedanke unangenehm war. Das kleine Tier stieß<br />
leise glucksende Geräusche aus und versuchte einen Finger zu erhaschen, um<br />
daran zu saugen – was von Tim and Rosa mit enthusiastischem Entzücken zur<br />
Kenntnis genommen wurde. Nachdem s<strong>ich</strong> die schwelgerische Begeisterung etwas<br />
gelegt hatte, kam <strong>ich</strong> ins Grübeln, zum x-ten Mal zu dem Thema: „<strong>An</strong>schaffung eines<br />
zweiten Hundes“.<br />
Noch vor einer halben Stunde war <strong>ich</strong> völlig entsetzt dem Vater dieser Winzlinge<br />
begegnet. „Was ist das?“, hatte <strong>ich</strong> entgeistert gedacht – vielle<strong>ich</strong>t sagte <strong>ich</strong> es auch<br />
laut. „Ein Bär, ein Löwe?“ Er war einfach nur riesig! Ein Goliath aus Mähne, Fell und<br />
Muskeln. Er hatte n<strong>ich</strong>ts, aber auch rein gar n<strong>ich</strong>ts von den kleinen Berner<br />
Sennenhunden an s<strong>ich</strong>, die ab und zu in Fernsehfilmen brav and pflegele<strong>ich</strong>t über<br />
den Bildschirm flanieren. Mit Pranken groß wie Männerhände und Beinen wie die<br />
Säulen der Akropolis stand er vor mir. Bildete <strong>ich</strong> mir das ein, oder verdunkelte er mit