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Und auch, wenn Mona Marie meinte, daran war Carla unschuldig, so ging der Tag ja<br />
noch weiter.<br />
Die Schiffe legten n<strong>ich</strong>t direkt an der Insel Helgoland an und die Passagiere mussten<br />
in kleinere Boote umsteigen. Diese Prozedur war im Allgemeinen jeden<br />
Reiseteilnehmer bekannt. N<strong>ich</strong>t jedoch Carla. Sie hatte Stöckelschuhe mit zehn<br />
Zentimeter hohen Absätzen an und kam in dem kleinen Boot, in dem man nur stehen<br />
und n<strong>ich</strong>t sitzen konnte, und das natürl<strong>ich</strong> bei dem Wetter auf den Wellen hin- und<br />
herschaukelte, plötzl<strong>ich</strong> ins Schwanken. Vor und zurück und nach rechts und nach<br />
links. Sie fand ihre Balance n<strong>ich</strong>t wieder, ruderte mit den Armen in der Luft und kippte<br />
schließl<strong>ich</strong> nach endlosen Sekunden über den Bootsrand ins Meer. Aber n<strong>ich</strong>t allein.<br />
Sie versuchte, s<strong>ich</strong> am Nebenmann festzuhalten. Der ließ s<strong>ich</strong> völlig überrascht<br />
mitreißen, wobei er wiederum s<strong>ich</strong> an seinem Nachbarn festzuhalten versuchte.<br />
Letztendl<strong>ich</strong> war es wie bei Dominoday, nur n<strong>ich</strong>t so elegant. Das ganze Boot<br />
kenterte schließl<strong>ich</strong> und wir fielen alle ins Wasser. Bis auf den letzten Mann.<br />
<strong>An</strong>schließend war <strong>ich</strong> drei Wochen lang erkältet, Mona Marie bekam eine<br />
Nierenentzündung, nur Carla ging’s gut.<br />
Auf der Reeperbahn<br />
Es war Mitte der Siebziger. Wir hatten eine Hamburgtour geplant, aus allen Kneipen<br />
tönte „La Paloma Blanca“ und Mona Marie, Carla und <strong>ich</strong> kamen um die Mittagszeit<br />
in der Hansestadt an. Zuerst absolvierten wir die unvermeidl<strong>ich</strong>e Hafenrundfahrt, die<br />
wir trocken überstanden, dann eine Stadtrundfahrt ohne nennenswerte Ereignisse.<br />
Gegen Abend wollten wir durch St. Pauli bummeln.<br />
Carla bestand darauf, s<strong>ich</strong> vorher umzuziehen. Sie tauschte ihren bequemen<br />
Hosenanzug gegen einen Ledermini und hochhackige Pumps aus, die man heute<br />
High Heels nennt. Außerdem schwang sie ein niedl<strong>ich</strong>es knallrotes Handtäschchen<br />
und erwiderte auf meine diesbezügl<strong>ich</strong>e Frage, dass das unvermeidl<strong>ich</strong> sei. Ich solle<br />
m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so anstellen, wir befänden uns schließl<strong>ich</strong> auf der Reeperbahn, und sie<br />
wolle n<strong>ich</strong>t auffallen.<br />
Eine <strong>An</strong>twort auf dieses st<strong>ich</strong>haltige Argument fiel mir n<strong>ich</strong>t ein. Wir schlenderten also<br />
gemächl<strong>ich</strong> an Spielhöllen und Stripteaselokalen vorbei. Das eine oder andere Mal<br />
musste <strong>ich</strong> uniformierte Türsteher abwehren, die mehr oder weniger eindringl<strong>ich</strong> an<br />
meinem Ärmel zupften und versuchten, m<strong>ich</strong> mit den verheißungsvollsten<br />
Versprechungen in ihre Lokalitäten zu locken. Offenbar waren in jedem dieser<br />
Schuppen die besten Shows der Welt mit den schönsten Mädchen der Welt und die<br />
gewagtesten Veranstaltungen der Welt zuhause. Jeder dieser aufdringl<strong>ich</strong>en Herren<br />
pries sein Geschäft als das beste an, mir wurde ganz schwindlig bei so viel <strong>An</strong>gebot<br />
und Mona Marie bekam Migräne. Nur Carla ließ das kalt. Sie wurde mitunter von den<br />
Damen der nächtl<strong>ich</strong>en Vergnügungszunft – die hier überall zu sehen waren – pikiert<br />
angeschaut. Trotzdem stöckelte sie hüftschwingend mit dem harmlosen Gemüt<br />
eines Kleinkindes durch die neonbeleuchteten Straßen und schien das n<strong>ich</strong>t zu<br />
bemerken. Sie lächelte nach allen Seiten, bestaunte die vielen bunten L<strong>ich</strong>ter, die