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Dagmar, weil seine Beißer tiefe Spuren an ihrer Hand zwischen den Knöcheln<br />
hinterlassen hatten.<br />
Ich schloss für einen Moment die Augen und holte tief Luft. Das war ein<br />
verhängnisvoller Fehler, weil <strong>ich</strong> einen Würgereiz bekam und mein Landkäsebrot<br />
vom kürzl<strong>ich</strong> verspeisten Mittagessen wieder nach oben drängte. Beide Trucker<br />
standen nun zieml<strong>ich</strong> belämmert herum und wussten offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, was sie<br />
sagen sollten.<br />
„Soll <strong>ich</strong> dem Werkschutz Bescheid geben?“, fragte Elvira. Sie war in der Tür<br />
aufgetaucht und bot einen <strong>An</strong>blick, der Männerherzen zum Schmelzen bringen<br />
konnte. Ihre langen Beine wurden nur etwas von einem breiten Gürtel bedeckt, der<br />
s<strong>ich</strong> bei genauerem Betrachten als Minirock entpuppte.<br />
Kalle war dagegen immun. „Blof nifft!“, jammerte er. „Dann bekommen wir beide<br />
Werfffverbot und können nift mehr fahren!“ Er verschluckte s<strong>ich</strong> an dem Blut, was<br />
aus seinem Zahnfleisch rann und hustete.<br />
„Es tut mir ja so leid!“, heulte Dagmar und lehnte s<strong>ich</strong> an die Schulter von Hans<br />
Winkelhaus. Flüssigkeit aus ihren Augen und auch ihrer Nase tropfte auf die linke<br />
Schulter seines teuren <strong>An</strong>zuges, was Ralf und <strong>ich</strong> etwas hämisch registrierten. Die<br />
moderne Tiefenpsychologie hätte s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> eine Erklärung dafür.<br />
„Mein verdammtes Temperament ist mit mir durchgegangen!“ Dagmar ließ von Hans’<br />
Schulter ab und sank auf einen der alten Stühle, der bedrohl<strong>ich</strong> ächzend protestierte.<br />
„Ihr müsst auf jeden Fall erst einmal verarztet werden!“, stellte <strong>ich</strong> lakonisch fest.<br />
„Aber einzeln, ihr dürft n<strong>ich</strong>t sagen, was vorgefallen ist. Sonst bekommt ihr<br />
Werksverbot. Am besten sagen wir, Kalle ist gestolpert und du Dagmar, hast d<strong>ich</strong> an<br />
der Tischkante verletzt!“<br />
„Ich telefoniere mit Dr. Busch!“, bot s<strong>ich</strong> Elvira an. Sie hatte es eilig, aus dem kleinen<br />
Raum zu verschwinden. „Wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> melde, denkt er bestimmt, Ralf ist wieder<br />
umgefallen!“, k<strong>ich</strong>erte sie und handelte s<strong>ich</strong> einen strafenden Blick desselben ein.<br />
Dr. Busch war ein rühriger mittelgroßer und stämmiger Mann. Ihm war sämtl<strong>ich</strong>er<br />
Haarbewuchs auf seinem Schädel abhandengekommen, er schien noch n<strong>ich</strong>t einmal<br />
Augenbrauen zu haben. Sein Ges<strong>ich</strong>t wies keine nennenswerten Konturen auf und<br />
wirkte eher wie ein rosa Wasserball. Er gehörte offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> zu den Menschen, die<br />
le<strong>ich</strong>t einen Sonnenbrand bekommen. Dr. Busch mochte an die Sechzig sein und<br />
war als Werksarzt mit den seltsamsten echten und auch vorgetäuschten Krankheiten<br />
konfrontiert worden. Als er mit seiner abgegriffenen braunen Notfalltasche, die<br />
während des zweiten Weltkrieges schon alt gewesen war, bei uns eintraf, rümpfte er<br />
die Nase.<br />
„Hier sollte jemand lüften! Es riecht wie in der Umkleidekabine eines Pumas. Na ja,<br />
vielle<strong>ich</strong>t noch ein wenig schlimmer! Wen haben wir denn da. Über die eigenen Füße<br />
gestolpert, wie? Mach den Mund auf und lass ihn auf, versuch bloß n<strong>ich</strong>t, m<strong>ich</strong> zu<br />
beißen. Obwohl, das sollte dir schwer fallen, he, he!“