08.03.2018 Aufrufe

An solchen Tagen könnte ich ...

Maggie Milton

Maggie Milton

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bissspuren von kleinen spitzen Zähnen auf. Vereinfacht ausgedrückt, die Schuhe<br />

waren unbrauchbar und n<strong>ich</strong>t mehr zu tragen.<br />

Am nächsten Tag fuhren wir in die Stadt, um neue für m<strong>ich</strong> zu kaufen. Nun ist unsere<br />

Heimatstadt n<strong>ich</strong>t gerade klein und es gibt eine Menge Schuhläden. Meine Familie<br />

bevorzugte jedoch ein Geschäft mit dem ungewöhnl<strong>ich</strong>en Namen Rheingold. Eine<br />

Assoziation zwischen Laden und Namen wollte n<strong>ich</strong>t so recht aufkommen, da die<br />

Besitzer weder Hagen noch Siegfried hießen und die Verkäuferinnen auch n<strong>ich</strong>t<br />

gerade an Krimhild oder Brunhild erinnerten. Höchstens die Dame an der Kasse ließ<br />

eine leise Ahnung an den Drachen Fafnir aufkommen. Sie hockte auf ihrem Stuhl<br />

hinter dem Tresen mit lohfarbenem Haar, zählte Geld dreimal und kontrollierte<br />

Kreditkarten viermal. Wir waren seit vielen Jahren Stammkunden in diesem Geschäft<br />

wegen der Verkäuferin Frau Schönfelder.<br />

Frau Schönfelder hatte schon Tim seine ersten Schuhe mit bemerkenswerter Geduld<br />

angepasst und wir blieben ihr seit dieser Zeit treu. Sie war hager wie ein Model, aber<br />

n<strong>ich</strong>t zickig sondern freundl<strong>ich</strong> und kompetent. Als <strong>ich</strong> nach ungewöhnl<strong>ich</strong> kurzer Zeit<br />

wieder bei ihr auftauchte um erneut schwarze Schuhe zu kaufen, war sie hocherfreut,<br />

schüttelte meine Hand und r<strong>ich</strong>tete Grüße an Gattin und Sohn aus. Auf die neuen<br />

Schuhe bekam <strong>ich</strong> Rabatt, was der Kassendrache nur widerwillig respektierte.<br />

Zu Hause angekommen hielt <strong>ich</strong> Rambo meine Neuerwerbung unter die Nase und<br />

sagte streng: „Nein!“, zu ihm. Er schnüffelte ohne großes Interesse daran und drehte<br />

s<strong>ich</strong> dann beleidigt um.<br />

Ich ging in den neuen Schuhen genau vier Tage zur Arbeit. Dann vergaß <strong>ich</strong> eines<br />

Abends sie in den Schrank zu stellen und suchte sie am nächsten Morgen. Der Rest<br />

der Familie beteiligte s<strong>ich</strong> an der Suche und schließl<strong>ich</strong> hielt Tim mir ein Paar unter<br />

die Nase. „Das sind die alten, zerkauten Treter!“, schimpfte <strong>ich</strong>.<br />

„Die sehen eher aus,“, Tim kratzte s<strong>ich</strong> am Kopf „wie die Neuen zerkauten!“<br />

Mein nun folgender Wortschwall wurde gestr<strong>ich</strong>en, weil er n<strong>ich</strong>t jugendfrei war und<br />

mein Ges<strong>ich</strong>t nahm die Farbe von gut abgelagertem Rotwein an. Nachdem der<br />

Dampfhammer unter meiner Schädeldecke s<strong>ich</strong> beruhigt hatte, besuchte <strong>ich</strong> erneut<br />

Frau Schönfelder. Sie rieb s<strong>ich</strong> die Hände, bekam sie doch für jeden Verkauf eine<br />

Provision, und Fafnir an der Kasse musste wiederum einen Rabatt eintippen. Sie<br />

blickte m<strong>ich</strong> an als sei <strong>ich</strong> hochgradig geistesgestört. Dafür verabschiedete s<strong>ich</strong> die<br />

Chefin persönl<strong>ich</strong> von mir und wünschte mir viel Erfolg mit den neuen Schuhen.<br />

Die nächsten Wochen waren sehr anstrengend, denn wir versuchten Rambo<br />

krampfhaft die grundlegendsten Regeln der Hygiene beizubringen. Wir fanden seine<br />

Pfützen und auch Kompakteres zunächst überall im Haus. Nach einiger Zeit<br />

beschränkte er s<strong>ich</strong> auf den neuen blauen Tepp<strong>ich</strong> in der Kaminecke und einer Stelle<br />

vor dem Gäste-WC. Von diesem Platz aus konnte die Flüssigkeit wunderbar und<br />

ungehindert unter einen Schuhschrank laufen. Dort zog sie in das Holz ein und<br />

verbreitete einen Gestank wie in einer altrömischen Wäscherei. Bekanntl<strong>ich</strong> wurde ja<br />

dort die Wäsche für das gewöhnl<strong>ich</strong>e Volk mit Urin gesäubert, wegen des<br />

Ammoniakgehaltes. Rambo besann s<strong>ich</strong> offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> darauf, dass seine Rasse von<br />

römischen Kampfhunden abstammte und fand dieses Odeur unwiderstehl<strong>ich</strong>. Er<br />

hielt dieser Stelle und dem blauen Tepp<strong>ich</strong> die Treue.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!