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An solchen Tagen könnte ich ...

Maggie Milton

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Es gehörte zu Dr. Buschs Eigenarten, jeden zu duzen und zu sprechen wie ein<br />

Schnellfeuergewehr. Er vertrat die <strong>An</strong>s<strong>ich</strong>t, dass seine Patienten dadurch ruhiger<br />

würden.<br />

„Ja, jaaaa, dass haben wir doch gle<strong>ich</strong>.“ Er zog s<strong>ich</strong> Untersuchungshandschuhe<br />

über, wobei er das Latexmaterial laut klatschend über seine Handgelenke schnappen<br />

ließ. „Weißt du, das sieht ja gar n<strong>ich</strong>t so schlimm aus. N<strong>ich</strong>t so schlimm, wie der Fall<br />

vor zwei Monaten – oder waren es drei? Egal, einer der Aushilfsstudenten war beim<br />

Reinigen der Maschinen in die Metallpresse geraten. Nein, welch eine Sauerei! Er<br />

konnte nur anhand eines Fußes identifiziert werden, der noch aus der Presse<br />

herausragte. Er fiel hinunter, als <strong>ich</strong> ihn anfasste. Den Rest musste die Feuerwehr<br />

erledigen. Viel war es n<strong>ich</strong>t, was sie zusammenkratzten. Es ergab einen<br />

undefinierbaren Brei aus Blut, Fleisch und Knochen!“ Er ließ die letzten Worte<br />

genüssl<strong>ich</strong> über seine Zunge rollen.<br />

Dann fuchtelte er vor Kalles Ges<strong>ich</strong>t herum, der n<strong>ich</strong>t eine Miene verzog. Dieser<br />

hatte genug während seiner Legionärszeit gesehen. Nur Elvira wurde ble<strong>ich</strong>. Wir<br />

hatten alle von dem Unfall gehört, waren aber n<strong>ich</strong>t auf eine so drastische<br />

Beschreibung gefasst gewesen.<br />

„Vor zwei Wochen“, erzählte Dr. Busch ungebeten weiter „hatte einer der<br />

Bahnarbeiter einen Unfall. Er rutschte ab und stürzte geradewegs breitbeinig auf<br />

einen Puffer. Autsch!“ Er griff Kalle in den Mund.<br />

„Was dann?“, fragte Elvira.<br />

„Nun meine Liebe“, der Doc nahm einen kleinen Spiegel und betrachtete Kalles<br />

Zähne, dabei kniff er seine ohnehin kleinen, schmalen Augen noch mehr zusammen.<br />

„Ich wette, er singt jetzt Sopran! Nein, n<strong>ich</strong>t du!“, sagte er, als Kalle einen Laut, der<br />

wie „HÄH“ klang von s<strong>ich</strong> gab. Dann griff er seinem malträtierten Patienten erneut in<br />

den Mund und drückte vors<strong>ich</strong>tig die Zähne wieder in die r<strong>ich</strong>tige Position.<br />

„Touché! N<strong>ich</strong>ts abgebrochen!“, stellte er zufrieden fest, um sofort<br />

zusammenhangslos weiterzureden: „Gestern ist dem Meister Benninghaus ein<br />

Gabelstapler über beide Füße gefahren. Hatte der ein Glück! Aber du, sei vors<strong>ich</strong>tig<br />

mein Lieber! Erst mal in n<strong>ich</strong>ts reinbeißen und morgen ab zum Zahnarzt. Wenn du<br />

Glück hast, ist weiter n<strong>ich</strong>ts passiert!“<br />

„Wieso Glück?“ fragte Elvira.<br />

„Glück?“<br />

„Meister Benninghaus!“, erinnerte Elvira.<br />

„Ach so, ja. Nun braucht er für beide Füße fünf Schuhnummern größer. Stell dir vor,<br />

der Stapler hätte nur einen Fuß erwischt, ho, ho, ho!“ Er lachte dröhnend nach Santa<br />

Claus Art und schlug s<strong>ich</strong> auf die kräftigen Schenkel.<br />

Ich schaute Kalles Verarztung eine Weile fasziniert zu, als m<strong>ich</strong> ein besonders<br />

schrilles und penetrantes Klingeln des Telefons an meine Arbeit erinnerte. Elvira war

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