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An solchen Tagen könnte ich ...

Maggie Milton

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hörte auf mit dem Stuhl zu wippen und blickte m<strong>ich</strong> anerkennend an. Ich machte eine<br />

wirkungsvolle Pause, um ihre Erwartung ins Maßlose steigen zu lassen<br />

„Das Klügste wäre, eine Autorenvorlesung zu besuchen und mit Fachleuten in<br />

Kontakt zu treten.“<br />

Das Literaturforum<br />

Voller Spannung hatten wir ihn erwartet, jenen ersten Abend im Literaturforum, der in<br />

einem uns unbekannten Kindergarten stattfand. Das Treffen begann völlig<br />

unliterarisch, weil wir den Eingang n<strong>ich</strong>t fanden, oder n<strong>ich</strong>t zu finden glaubten. Er war<br />

näml<strong>ich</strong> noch verschlossen, als wir ankamen.<br />

.<br />

Während wir herumirrten, tauchte vor uns im Dunkeln ein Mann auf, der größtenteils<br />

aus einem schwarzen Bart zu bestehen schien, und bei dem <strong>ich</strong> zunächst einen<br />

Sprengstoffgürtel vermutete. Er entpuppte s<strong>ich</strong> aber als gle<strong>ich</strong>gesinnt und suchte<br />

auch nur den Eingang ins kulturgetränkte Vergnügen.<br />

Kurze Zeit später hatten s<strong>ich</strong> dann alle gefunden, und die Runde begann nach<br />

einigem Stühle rücken mit dem, was sie hierher geführt hatte. Außerdem wurde die<br />

Tür abgeschlossen, damit niemand mehr entfliehen konnte. Meine Erwartungen<br />

stiegen ins Maßlose und die erste Erzählung wurde vorgelesen. Sie war perfekt, gut<br />

durchdacht, und der Sound spiegelte die Lebensweise und Perspektivlosigkeit der<br />

Handelnden einfühlsam wieder. Jedenfalls klang das für meine profanen Ohren so.<br />

N<strong>ich</strong>t aber für die Re<strong>ich</strong> Ranicki-Verschnitte, die s<strong>ich</strong> hier in Scharen profilieren<br />

wollten. Sie meinten, der Text hätte noch stellenweise gekürzt, also bis zur<br />

Unkenntl<strong>ich</strong>keit zusammengehauen werden müssen. Überhaupt wären einige<br />

Passagen völlig fehl am Platz und sie hätten das so oder so geschrieben.<br />

Erstaunl<strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> sagte lieber n<strong>ich</strong>ts mehr und beschränkte m<strong>ich</strong> aufs Zuhören und<br />

Beobachten.<br />

Dann las Little Shakespeare, so taufte <strong>ich</strong> den distinguierten Herrn, mit tragender<br />

Stimme einen englischen Text vor. Wahrscheinl<strong>ich</strong> traute s<strong>ich</strong> niemand zuzugeben,<br />

dass er n<strong>ich</strong>t genügend Englisch verstand, also folgten allgemeine<br />

Begeisterungsstürme.<br />

Wie dem auch sei, Mona Marie meinte hinterher respektlos, dass sein Englisch in<br />

ihren Ohren gerauscht hätte und ihre Schwester Mary Lee ihn wahrscheinl<strong>ich</strong> mit<br />

ihrem Peacemaker vom Hof jagen würde und Onkel Corky, mit einer Rifle fuchtelnd,<br />

den erneuten Krieg gegen eindringende Engländer ausrufen würde. Immerhin war<br />

Mona Marie Amerikanerin und ihr fünf oder sechs Mal Urgroßvater hatte „The<br />

Declaration of Independence“ gle<strong>ich</strong> unter Benjamin Franklin unterschrieben. Dabei<br />

fiel mir dann nebenbei ein, dass <strong>ich</strong> die vorgelesene Story just am vergangenen<br />

Samstag als Film im Fernsehen gesehen hatte. Jedenfalls fiel sie sehr ähnl<strong>ich</strong> aus -<br />

mit Liam Neeson in der Hauptrolle.<br />

Eine etwas gesetzte Dame rezitierte dann ein Ged<strong>ich</strong>t, in dem s<strong>ich</strong> Torten und<br />

Kuchen unterhielten und Kinder mit mutierten Clowns durch die Luft wirbelten.

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