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„Da kommen meine Schwester und ihre Freundin!“, sagte <strong>ich</strong> schließl<strong>ich</strong> erle<strong>ich</strong>tert,<br />
als <strong>ich</strong> Mona Marie und Carla erblickte, die s<strong>ich</strong> durch die Menge kämpften.<br />
Großzügig und theatralisch deutete <strong>ich</strong> in die R<strong>ich</strong>tung, um dann blitzschnell Tim den<br />
Mund zuzuhalten, bevor der: „Mama!“ sagen konnte.<br />
Zum Glück kamen meine Frau und Carla n<strong>ich</strong>t weiter und beschränkten s<strong>ich</strong> auf<br />
heftiges Zuwinken. Meine selbsternannte Begleiterin sah s<strong>ich</strong> genötigt, ebenfalls<br />
fröhl<strong>ich</strong> und: „Huh, huh!“, rufend in die R<strong>ich</strong>tung zu winken, und <strong>ich</strong> bekam beinahe<br />
einen Herzkasper. Den Rest der Zugfahrt verbrachte <strong>ich</strong> damit, Mona Maries<br />
verächtl<strong>ich</strong>en Blicken auszuwe<strong>ich</strong>en.<br />
Endl<strong>ich</strong> war es soweit. Der Zugführer hatte gewartet, bis der Zug fast aus den Nähten<br />
platzte und umzukippen drohte, dann fuhr er los. Carla, die keinen Haltegriff erwischt<br />
hatte, kam dabei mal wieder gefährl<strong>ich</strong> ins Schwanken. In Panik ließ sie daraufhin<br />
ihre Tasche fallen und griff zum nächstbesten Halt. Das waren die Hosenträger<br />
meines besonderen Freundes im roten Hemd. Als Carla sie lang genug gezogen<br />
hatte, ließ sie los, um s<strong>ich</strong> anderweitig zu orientieren. Das klatschende Geräusch<br />
übertönte sogar das Rattern des Zuges. Das daraufhin lila angelaufene Ges<strong>ich</strong>t des<br />
Mannes demonstrierte die Farbigkeit der Veranstaltung, die versprach, n<strong>ich</strong>t<br />
langweilig zu werden.<br />
Eine weitere Beschreibung der Zugfahrt will <strong>ich</strong> erst gar n<strong>ich</strong>t versuchen. Nur soviel<br />
sei gesagt, Erlebnisse mit klassischen Monstern wie Vampiren, Werwölfen oder<br />
Mumien waren dagegen romantische Begegnungen.<br />
Im Hafen angekommen, beeilten s<strong>ich</strong> Myriaden von Menschen das Schiff zu entern.<br />
Es gab kein Halten mehr, die Leute gerieten außer Rand und Band. Es war ein<br />
Hasten und Hetzen, ein Stoßen und Schlimmeres. Wohl dem, der spitze Ellbogen<br />
hatte. Sämtl<strong>ich</strong>e Öffnungen des Kahns wurden erstürmt und jeder Quadratzentimeter<br />
besetzt.<br />
Zum Essen saß man d<strong>ich</strong>t gedrängt zusammen mit fremden Leuten und deren<br />
gefüllten Taschen und Tüten auf dem Schoß. Selten traf die Gabel den eigenen<br />
Mund, und ein anderer verschlang den Bissen. Schaudernd erinnere <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> daran,<br />
dass <strong>ich</strong> in eine Bockwurst beißen wollte und hatte plötzl<strong>ich</strong> eine Krabbe und dann<br />
ein Stück <strong>An</strong>anas zwischen den Zähnen.<br />
Dann kam etwas Seegang auf. Die Maschinen stampften, der Kahn schlingerte und<br />
taumelte, die Passagiere auch. Tim quengelte, Mona Marie meckerte, und mir wurde<br />
schlecht. Die Mannschaft hatte in langen Jahren gewissen Erfahrungen gesammelt<br />
und verteilte in lobenswerter Hilfsbereitschaft Spucktüten.<br />
Plötzl<strong>ich</strong> schien Carla eine Idee zu haben. Ein rätselhaftes Lächeln huschte über ihr<br />
verhärmtes <strong>An</strong>tlitz und sie raunte mir zu: „Gle<strong>ich</strong> haben wir Platz!“<br />
„Wie denn?“, brachte <strong>ich</strong> mühsam hervor. Ich war verzweifelt, es gab keine<br />
Fluchtmögl<strong>ich</strong>keit auf dem verflixten Schiff.<br />
„Abwarten. Schieb’ mir mal deine Erbsensuppe rüber!“