Top100 Kufstein 2018
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top 100 KUFSTEIN | interview<br />
Intelligent steuern<br />
Leistbares Wohnen. Herbert Schöpf ist Experte für Immobilien- und<br />
Baurecht. ECHO sprach mit ihm über das politische Top-Thema<br />
leistbares Wohnen, die Idee 50/30/20 und die Leerstandserhebung.<br />
ECHO: In Sachen leistbares Wohnen<br />
gibt es derzeit unterschiedliche Ideen,<br />
eine davon ist die Vertragsraumordnung.<br />
Was halten Sie als Jurist davon?<br />
Herbert Schöpf: Prinzipiell ist hier<br />
festzuhalten, dass bei der Vertragsraumordnung<br />
die öffentliche Hand<br />
zivilrechtlich tätig wird und dass die<br />
Vertragsraumordnung im Spannungsverhältnis<br />
zwischen hoheitlichem<br />
Handeln und privatrechtlichen Vereinbarungen<br />
steht. Jedem hoheitlichen<br />
Handeln, z.B. im Rahmen einer Umwidmung<br />
oder bei Erlass eines Bebauungsplans,<br />
muss ein Gesetz zugrunde<br />
liegen, das nennen wir das Legalitätsprinzip.<br />
An einem Beispiel gezeigt, bedeutet<br />
dies Folgendes. Wenn eine Gemeinde<br />
sagt: Ich widme den Freilandgrund<br />
nur dann in Bauland um, wenn<br />
du maximal 1.000 Euro beim Verkauf<br />
des Grundes ver langst, dann ist das<br />
derzeit vom Tiroler Raumordnungsgesetz<br />
nicht gedeckt. Dieses Gesetz sieht<br />
keinen Preisdeckel vor. Folglich bedeutet<br />
das, dass man mit dem Instrument<br />
Vertragsraumordnung sehr sorgsam<br />
und sehr überlegt umgehen muss, damit<br />
man nicht in der Sittenwidrigkeit<br />
landet. Generalisierende Vorgaben<br />
lässt die Raumordnung per se nicht<br />
zu, weil eine Vorgabe jeweils sachlich<br />
gerechtfertigt werden muss. Und noch<br />
eines ist klar: Vertragsraumordnung<br />
greift im Wesentlichen nur bei Umwidmungen<br />
und bei Bebauungsplänen<br />
und nicht im Rahmen des allgemeinen<br />
Baurechts.<br />
ECHO: Was kann man mit den derzeitigen<br />
Vorgaben machen?<br />
Schöpf: Es gibt viele Möglichkeiten,<br />
steuernd einzugreifen. Ich nenne hier<br />
zum Beispiel die Möglichkeit, Infrastrukturkosten<br />
an den Widmungswerber<br />
weiterzugeben. Oft widmen<br />
Gemeinden Bauland und vergessen,<br />
welch hohe Infrastrukturkosten für die<br />
Gemeinde die Folge sind – Kanal, Straßen<br />
oder auch neue Kindergärten und<br />
Schulen, die durch den Zuzug notwendig<br />
werden. Hier kann eine Gemeinde<br />
vom Bauträger Zuschüsse zur Infrastruktur<br />
verlangen und dadurch jene<br />
Grundstücksspekulanten, denen es nur<br />
ums schnelle Geld geht, abschrecken.<br />
Auch die Möglichkeit, in den Baukörper<br />
steuernd einzugreifen, macht die<br />
Raumordnung möglich. So kann eine<br />
Gemeinde vorgeben, dass nicht die beliebten<br />
Zwei-Zimmer-Wohnungen, die<br />
dann an Studenten vermietet werden,<br />
gebaut werden, sondern kann gezielt<br />
Vorgaben für Familienwohnungen<br />
machen.<br />
ECHO: Der neue Bürgermeister<br />
von Innsbruck will bei allen größeren<br />
Bauvorhaben zwingend die Regel<br />
50/30/20 vorgeben, d. h. 50 Prozent<br />
wohnbaugeförderten, 30 Prozent<br />
wohnbauförderungsnahen und 20<br />
Prozent frei finanzierten Wohnbau.<br />
Halten Sie diese Regel für umsetzbar?<br />
Schöpf: Das halte ich schon vom<br />
Prinzip der Wohnbauförderung für<br />
schwer umsetzbar. Derzeit ist die<br />
Fotos: Kröll<br />
88 ECHO TOP 100 UNTERNEHMEN IM BEZIRK KUFSTEIN <strong>2018</strong>