Nr. 17 - September / Oktober 2008
Burgund: Morvan, Bibracte, Guédelon Paris: die Sainte-Chapelle Elsass: Goethes amour fou in Sesenheim Provence: Cordes-sur-ciel Rezept: mousse au chocolat
Burgund: Morvan, Bibracte, Guédelon
Paris: die Sainte-Chapelle
Elsass: Goethes amour fou in Sesenheim
Provence: Cordes-sur-ciel
Rezept: mousse au chocolat
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Fokus Burgund<br />
den Kassenhäuschen eintrifft. Die<br />
verlangten Eintrittspreise scheinen<br />
sich an heutigen Gegebenheiten<br />
zu orientieren und wirken im ersten<br />
Moment recht gesalzen: neun<br />
Euro für jeden Erwachsenen und<br />
sieben Euro für Kinder. Gerade<br />
für Familien kommt schnell eine<br />
beträchtliche Summe zusammen.<br />
Die Kopie einer mittelalterlichen<br />
Baustelle hat anscheinend ihren<br />
Preis. Ein Besuch lohnt sich aber<br />
dennoch.<br />
Kein Freizeitpark, sondern<br />
eine echte Baustelle<br />
Denn Guédelon ist mehr als<br />
irgendein Freizeitpark, in dem die<br />
Geschichte mehr oder weniger<br />
wirklichkeitsgetreu nachgebildet<br />
wird. Hier sind die Arbeiter keine<br />
Schauspieler, sondern wahre<br />
Handwerker, die alte Fertigkeiten<br />
pflegen und bewahren. Hinter<br />
ihren Ateliers in Holzhütten verstecken<br />
sich keine Hinterräume<br />
mit moderner Ausstattung. Alles<br />
ist sichtbar, nirgends wird eine falsche<br />
Authentizität vorgegaukelt.<br />
Hier wird wirklich geschuftet wie<br />
vor vielen Jahrhunderten.<br />
Im Mittelalter war die Platzwahl<br />
für eine Burg niemals zufällig,<br />
so auch nicht beim zukünftigen<br />
Château de Guédelon. Der Ort<br />
wurde vor allem wegen der Nähe<br />
zu den benötigten Baustoffen<br />
ausgesucht. Denn der Transport<br />
dergleichen durch den Einsatz von<br />
Tieren oder auf dem Wasserweg<br />
würde einen zusätzlichen Kostenfaktor<br />
und eine unnötige Zeit- und<br />
Energieverschwendung bedeuten.<br />
An diesem Standort findet man<br />
die wichtigsten Baustoffe dagegen<br />
direkt vor der Tür: Holz in einem<br />
Wald voller Eichen, Steine aus<br />
einem alten Steinbruch, außerdem<br />
Erde, Sand und Wasser.<br />
Schnell lernt man beim Besuch<br />
der Baustelle deshalb auch eine der<br />
wichtigsten Bauregeln des Mittelalters<br />
kennen: kostbare Rohstoffe<br />
nicht zu verschwenden. Damals<br />
war man weit von der Überflussgesellschaft<br />
heutiger Zeit entfernt.<br />
So werden in Guédelon beispielsweise<br />
zerbröckelte Steine oder<br />
Steine von schlechter Qualität<br />
dafür verwendet, Mauerzwischenräume<br />
aufzufüllen. Die durchschnittliche<br />
Mauerdicke beträgt<br />
stolze 3,50 Meter. Da braucht man<br />
einiges an Füllmaterial.<br />
Des Weiteren erkennt man<br />
alsbald die Komplexität, die hinter<br />
einem solchen Bauvorhaben<br />
steht, da alle benötigten Arbeitsschritte<br />
genau verfolgt und die<br />
unterschiedlichen Metiers, die<br />
eine solche Baustelle braucht, beobachtet<br />
werden können – anders<br />
als bei modernen Baustellen, wo<br />
Arbeitsschritte ausgelagert sind<br />
und Handwerkszeug im Fachhandel<br />
gekauft werden kann. In Guédelon<br />
hat sich ein richtiges kleines<br />
Arbeiterdorf entwickelt, das die<br />
verschiedensten Handwerksberufe<br />
vereint. Ganz wie im Mittelalter.<br />
So gibt es etwa einen Seiler, der<br />
den ganzen Tag geduldig Leinen,<br />
Kordeln und Seile, die für den<br />
Bau benötigt werden, flicht. Doch<br />
wenn die Methoden auch aus dem<br />
Mittelalter stammen, so entsprechen<br />
die Arbeitsbedingungen und<br />
-zeiten dennoch den heutigen<br />
Vorschriften. Es besteht also kein<br />
Grund, sich um die Arbeiter zu<br />
sorgen. Im Sommer wird meist<br />
von 10.00 Uhr morgens bis 19.00<br />
Uhr abends gewerkelt. In der übrigen<br />
Jahreszeit zu entsprechend<br />
anderen Zeiten.<br />
Alles lässt sich erkunden<br />
Ein großer Vorteil dieser<br />
Touristenattraktion ist auch, dass<br />
man sich auf der Baustelle überall<br />
frei bewegen darf. Es gibt keinen<br />
vorgeschriebenen Rundweg. Man<br />
muss lediglich auf kleine grüne,<br />
orangefarbene oder rote Schilder<br />
achten, die den Gefährlichkeitsgrad<br />
eines Ortes angeben,<br />
beispielsweise für Transportwege<br />
von Baumaterial. Der direkte<br />
Austausch mit den Handwerkern<br />
ist sogar gewünscht. Man kann<br />
Der Vorläufer der heutigen Baukräne.<br />
Die Pläne gehen auf Philipp August zurück.<br />
38 · Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2008</strong>