Nr. 17 - September / Oktober 2008

Frankreich Heute Reform der Streitkräfte
zu dienen. Die lokalen Abgeordneten
müssen zwischen
dem kommunalen und dem
generellen Interesse unterscheiden.
» Die Regierung meint es
mit der Umsetzung der Reform
also ernst. Widerspruch scheint
zwecklos.
Und dennoch wankt die
Standfestigkeit der Verantwortlichen
manchmal. In
Dieuze im Departement Moselle
soll das 13. Regiment der
Fallschirmjäger geschlossen,
913 Soldaten nach Bordeaux
verlegt werden. Doch dies
mobilisierte die lokalen Abgeordneten,
die allesamt – egal
ob links oder rechts – mit
ihrem Rücktritt drohten und
zur Demonstration nach Paris
fuhren. Ihr Protest hatte
Erfolg: Zwar werden die Fallschirmjäger
abgezogen, als
Ersatz kommen aber 300 neue
Soldaten und einige hundert
Auszubildende. Dies wird jedoch
sicherlich ein Einzelfall
bleiben, ansonsten würde die
gesamte Reform unterlaufen
und ihren Sinn verlieren.
Um den allgemeinen Zorn
abzumildern, werden die Kasernenschließungen
von Ausgleichsmaßnahmen
begleitet.
320 Millionen Euro stehen
dafür von 2009 bis 2015 zur
Verfügung, mit denen wirtschaftliche
Impulse in den betroffenen
Regionen gesetzt und die Bevölkerung beruhigt
werden sollen. Außerdem wird es steuerliche Anreize für
die Umgestaltung von verlassenen Militärflächen geben,
wodurch man auf die Ansiedlung neuer Betriebe oder auf
andere Aktivitäten hofft.
Auf dem Papier gibt es also Maßnahmen, die die Folgen
für die Kommunen mildern. Doch die Lokalpolitiker
und Einwohner bleiben skeptisch. Was bedeuten schon
320 Millionen Euro für das gesamte Land, Überseegebiete
eingeschlossen? Bezweifelt wird auch, dass sich trotz fiskalischer
Anreize neue Arbeitgeber ansiedeln lassen, zumal
die Gebiete ohne große Investitionen meist wenig für eine
privatwirtschaftliche Nutzung geeignet sind und abseits der
großen Ballungszentren und Warenströme liegen.
Hinzu kommt, dass dieser Reform bereits die massenweise
Schließung von Gerichten und Krankenhäusern in
ländlichen Gebieten vorangegangen ist, immer unter dem
gleichen Schlagwort: die « Modernisierung des Landes ».
Viele sehen darin inzwischen aber weniger eine Modernisierung
als vielmehr ein Austrocknen der ländlichen Räume.
Für einige Kommunen wird die Situation sogar mehr
als kritisch. So musste die Kleinstadt Joigny im Departement
Yonne mit ihren 11.000 Einwohnern mit ansehen,
wie zunächst das örtliche Amtsgericht, dann das Tribunal
de Commerce und schließlich das Krankenhaus geschlossen
wurde. Nun soll noch die Militäreinheit in der Kommune
mit 410 Soldaten und Zivilangestellten verschwinden. Mit
ihren Familien sind rund 1.200 Menschen davon betroffen,
also über zehn Prozent der Bevölkerung.
Doch trotz vieler offener Fragen versucht die Regierung
vor allem eines: zu beruhigen und auf die Notwendigkeit
der Reform hinzuweisen. Eines ist aber auch sicher: Die
Reform wird noch lange von sich reden machen und einigen
Streit verursachen.
50 · Frankreich erleben · September / Oktober 2008