Nr. 17 - September / Oktober 2008
Burgund: Morvan, Bibracte, Guédelon Paris: die Sainte-Chapelle Elsass: Goethes amour fou in Sesenheim Provence: Cordes-sur-ciel Rezept: mousse au chocolat
Burgund: Morvan, Bibracte, Guédelon
Paris: die Sainte-Chapelle
Elsass: Goethes amour fou in Sesenheim
Provence: Cordes-sur-ciel
Rezept: mousse au chocolat
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Unterwegs in Frankreich Paris<br />
Die Sainte-Chapelle – ein Meisterwerk der Gothik.<br />
Adligen vorbehalten. Im<br />
Erdgeschoss wurden die<br />
Messen abgehalten.<br />
Abgesehen von der<br />
Aufbewahrung der Reliquien<br />
wies der König der<br />
Sainte-Chapelle eine weitere<br />
Aufgabe zu. Sie sollte<br />
« die Seele erheben und<br />
den Geist der Menschen<br />
reinigen ».<br />
Was gab es besseres<br />
dafür als den Effekt eines<br />
fast überirdischen Lichts,<br />
das in weiten Strahlen<br />
in das Innere fallen sollte?<br />
So zählt man in der<br />
Sainte-Chapelle 15 große<br />
Buntglasfenster bestehend<br />
aus insgesamt 1.113<br />
Teilen. Durch das farbige<br />
Glas ergab sich ein für das<br />
Wann gilt eine Kapelle in Frankreich<br />
als « Sainte-Chapelle »?<br />
Fünf Kriterien sind zu erfüllen. Das Gebäude muss<br />
• eine königliche Schloss- oder Palastkapelle sein,<br />
Mittelalter sensationeller<br />
visueller Eindruck.<br />
Auch die Architektur der Kapelle war neuartig. Es wird<br />
angenommen, dass Pierre de Montreuil für den Bau verantwortlich<br />
zeichnete, der Erbauer von Notre-Dame in Paris<br />
und der Basilika von Saint-Denis. Er kreierte zwei sich<br />
überlagernde Gewölbe von damals unbekannten Ausmaßen.<br />
Bei dem oberen wurde auf Mauerwerk so weit wie möglich<br />
• über ein einzigartiges Kirchenschiff, ein oder zwei<br />
Etagen, hohe Glasfenster, ein steiles Schieferdach<br />
und einen freistehenden Glockenturm verfügen,<br />
• ein Stück der Dornenkrone Christi oder des Kreuzes<br />
beherbergen, die Teile jener Reliquien sind, die<br />
Ludwig IX. für die Pariser Sainte-Chapelle erwarb,<br />
• für die Abhaltung von Messen im drei Stundentakt<br />
genutzt werden,<br />
• von Ludwig dem Heiligen oder seinen Nachfahren<br />
gegründet worden sein.<br />
Heute gibt es sieben Kirchen in Frankreich, die diese<br />
Anforderungen erfüllen: Neben der von Paris sind<br />
es die Kirchen von Vincennes, Riom, Châteaudun,<br />
Aigueperse, Champigny-sur-Veude und von Vic-le-<br />
Comte.<br />
verzichtet, stattdessen wurden riesige Bögen<br />
aus buntem Glasmosaik errichtet, die das<br />
Alte und Neue Testament illustrieren. Das<br />
ganze Ensemble, das eine unerhörte Leichtigkeit<br />
ausstrahlt, vermittelt den Eindruck,<br />
als wichen seine Mauern vor einem absoluten<br />
göttlichen Lichtstrahl zurück. Ein sehr<br />
beeindruckender Effekt.<br />
In Geschichtsbüchern steht geschrieben,<br />
dass sich Ludwig IX. nach der Einweihung<br />
der Sainte-Chapelle in tiefer Meditation auf<br />
seinen siebten Kreuzzug vorbereitete, den er<br />
1248 begann. In der Befürchtung, seine geliebte<br />
Kirche könne Schaden nehmen, gründete<br />
der König das Amt eines « Glasbaumeisters<br />
», der künftig die Sainte-Chapelle<br />
pflegen sollte. So war an alles gedacht und<br />
der Monarch konnte beruhigt in den Krieg<br />
ziehen.<br />
Für Ludwig den Heiligen war es sicher<br />
unvorstellbar, dass die Franzosen eines Tages<br />
gegen seine Sainte-Chapelle rebellieren<br />
würden. Doch während der französischen<br />
Revolution, in den stürmischen<br />
Jahren ab <strong>17</strong>89,<br />
hatte auch diese Kirche<br />
schwere Beschädigungen<br />
zu überstehen, vor allem<br />
natürlich die Glasmosaike.<br />
Man dachte sogar eine<br />
Zeitlang über ihren Abriss<br />
nach. Der Schwärmerei<br />
der Romantiker für das<br />
Mittelalter ist es zu verdanken,<br />
dass die Kirche<br />
wieder restauriert werden<br />
konnte. Besonders Victor<br />
Hugo und der junge<br />
Architekt Jean-Baptiste<br />
Lassus setzten sich mit<br />
großem Eifer dafür ein,<br />
die Öffentlichkeit von der<br />
Notwendigkeit eines solchen<br />
Vorhabens zu überzeugen.<br />
Sie hatten Erfolg,<br />
die Sainte-Chapelle konnte<br />
gerettet werden, und<br />
ganz nebenbei schufen die<br />
beiden den Grundstein für<br />
das, was man heute zum<br />
kulturellen Erbe der Stadt zählt.<br />
Im 19. Jahrhundert haben Archäologen in unermüdlicher<br />
Arbeit die Handwerkskunst der frühen Glasbaumeister<br />
wiederbelebt und 1845 wurde in einer groß angelegten<br />
Kampagne die Bevölkerung für die komplette Sanierung<br />
der Kirche gewonnen. Es wurde eine der größten Restaurie-<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>September</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2008</strong>