Nr. 17 - September / Oktober 2008

Fokus Burgund
In der Werkstatt der Schmiede.
Die Hütte der Maler.
Alle Hilfsmittel werden auf der Baustelle produziert.
mit ihnen diskutieren oder sie bei ihrer
Arbeit genau beobachten.
Eine der faszinierendsten Entdeckungen
auf der Baustelle ist
dabei ein großes Holzrad, eine Art
Hamsterrad für Menschen. Dank
dieser Konstruktion, die ein einzelner
Mensch durch seine Muskelkraft
antreibt, können schwere Lasten
angehoben werden. Es ist sozusagen
der Vorläufer eines modernen Krans.
Nur dass hier kein Motor dafür notwendig
ist. Groß und Klein bleiben
vor dieser Tretmühle meist mit großen
Augen stehen.
Während die Interpretation der
täglichen Arbeitsabläufe auf einer
mittelalterlichen Baustelle nur teilweise
gelingen kann, erlaubt Guédelon
vor allem die Neubelebung alter
Arbeitsmethoden, die nicht selten
in Vergessenheit geraten waren. Die
hier arbeitenden Männer und Frauen
müssen zudem – neben allem theoretischen
Wissen aus dieser Zeit – in
der Lage sein, sich zu helfen zu wissen.
Diese praktischen Erfahrungen
bereichern wiederum das Wissen der
Historiker und Wissenschaftler.
Auch das Lernen einer gewissen
Bescheidenheit gehört dazu. Ein
Beispiel dafür ist das Gewölbe des
unteren Raumes des Kapellenturms.
Man hätte hier schnell in die Versuchung
kommen können, ein besonders
spektakuläres Gewölbe bauen zu
wollen, ein Gewölbe, das die architektonischen
Spitzenleistungen der
damaligen Epoche vereint. Im Sinne
der Initiatoren von Guédelon hätte
dies aber den wirklichen Realitäten
der damaligen Situation widersprochen.
Vielmehr ist es angebracht,
ein « normales » mittelalterliches
Gewölbe zu errichten. Denn das 21.
Jahrhundert soll nicht das Mittelalter
neu interpretieren, sondern es verstehen
helfen.
40 · Frankreich erleben · September / Oktober 2008