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CRESCENDO 4/18 Juni-Juli-August 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.

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Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.

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Hans Sigl (*1969) ist ein österreichischer Schauspieler.<br />

Zunächst am Theater tätig, wurde er ab 2001 als Andreas Blitz in<br />

der Fernsehkrimiserie SOKO Kitzbühel bekannt. Seit 2008<br />

verkörpert er den Bergdoktor in der gleichnamigen ZDF-Serie.<br />

crescendo: Herr Sigl, in Ihrer wilden Jugendzeit haben Sie<br />

Gitarre und Schlagzeug gespielt und sich für AC/DC und Queen<br />

interessiert.<br />

Hans Sigl: Zwei großartige Bands. Musikalisch hat jedoch alles<br />

damit begonnen, dass ich im Jungendchor mitsang. Musik war<br />

schon als Kind ein wichtiger Teil meines Lebens. Meine erste<br />

Trompete bekam ich mit sechs Jahren geschenkt, und darauf zu<br />

spielen, habe ich mir selbst beigebracht.<br />

Sind Sie mit Trompete auch aufgetreten?<br />

So weit kam es nicht, denn das Instrument fand ein jähes Ende:<br />

Im Fernsehen sah ich Dizzy Gillespie spielen, dessen Trompete<br />

vorne so einen hochgezogenen Trichter hatte. Ich dachte: Das will<br />

ich auch und habe den Trichter einfach vorne hochgebogen –<br />

damit war das Thema erledigt!<br />

Sie haben mehrere Meditations-CDs eingespielt. Ihr Entspannungstipp?<br />

Es gibt ein schönes Zitat von Goethe: „Im Atemholen sind<br />

zweierlei Gnaden: Die Luft einzuziehn, sich ihrer entladen“. Wenn<br />

man sich hinsetzt, aufrecht, Hände auf die Knie und einfach zwei<br />

Minuten darauf achtet, wo man hinatmet und was der Atem mit<br />

einem macht, ist man der Entspannung schon sehr nah. Da reichen<br />

wirklich schon zwei Minuten, die man beispielsweise im Auto<br />

sitzen bleibt, anstatt gestresst wieder loszubrausen.<br />

Wenden Sie das selbst an?<br />

Mein Schauspielberuf findet mit dem Bergdoktor viel in der Natur<br />

statt. Immer draußen, mit vielen Leuten um mich rum. Ich<br />

genieße und mag das, aber setze mich doch gerne zwischendurch<br />

irgendwo in den Wald oder in den grünen Benz, unser Filmauto<br />

beim Bergdoktor, und mach die Türen zu. Draußen wuselt<br />

alles herum, ich setze mich hin, Hände auf den Knien und nehme<br />

mir die Zeit.<br />

Neben Stille kann auch Musik entspannen …<br />

Unbedingt. Der erste Schritt zum Menschen ist immer die Musik.<br />

Deshalb haben Sänger die Möglichkeit, ganz anders auf Menschen<br />

einzuwirken, sie zu berühren, als Schauspieler. Bei uns Schauspielern<br />

ist ja immer erst das rationale Verständnis des Textes notwendig.<br />

Bis das im Herzen angekommen ist, ist manchmal schon die<br />

Pause vorbei. In der Oper ist man bereits bei der Ouvertüre in<br />

einer anderen Welt. Das heißt, uns Schauspielern fehlt ein<br />

Medium, welches die Musiker haben, darauf sind viele – mich<br />

eingenommen – sehr neidisch.<br />

Das halbe Jahr drehen Sie naturnah den Bergdoktor, im anderen<br />

leben Sie am Ammersee – zwei idyllische Locations …<br />

Clever, was? Alles richtig gemacht.<br />

Nervt der Kitsch nicht manchmal schon fast?<br />

Nach den ersten zwei, drei Staffeln Bergdoktor-Dreh in Ellmau, bei<br />

denen ich fast ein Dreivierteljahr nur in den Bergen war, kam ich<br />

nach Berlin und bin bei einer vierspurigen Straße mit Fußgängerübergang<br />

richtig erschrocken. Man entwöhnt sich. Meine Frau und<br />

ich machen gerne Städtereisen, aber ich habe nie längere Zeit das<br />

Bedürfnis nach Trubel und Hektik der City. Ich liebe Lagerfeuer,<br />

liebe es, wenn die Vögel zwitschern – das ist meins!<br />

Sie werden stark mit der Rolle des Bergdoktors identifiziert.<br />

Werden Sie als Fernsehdarsteller bei anderen Projekten wie<br />

Ihren Hörbüchern oder bei Lesungen deshalb weniger ernst<br />

genommen?<br />

Menschen, die pauschale Vorurteile haben, unterstütze ich<br />

grundsätzlich gedanklich nicht, überzeuge sie aber sehr gerne.<br />

Menschen, die sagen, das höre ich mir einfach mal an, ich bin<br />

neugierig, finde ich großartig. Bevor ich zum Fernsehen kam, habe<br />

ich zwölf Jahre lang Theater gespielt, und es ist wahrscheinlich,<br />

dass ich nicht bis zur Rente den Arzt verkörpern werde – es gab<br />

und gibt also immer auch etwas anderes in meinem Leben.<br />

Und für Sie selbst? Fällt es nach Monaten des Bergdoktors<br />

schwer, wieder in andere Rollen zurückzuschalten?<br />

Überhaupt nicht, das ist ja meine Arbeit. In den ersten zwei, drei<br />

Jahren hat mich die Figur des Bergdoktors schon sehr gefordert:<br />

Wohin geht die Reise? Wie entwickelt man die Figur? Darauf lagen<br />

Energie und Fokus. Inzwischen hat sich alles im positiven Sinne<br />

eingespielt: Man kennt das Team, die Autoren, die Produzenten –<br />

bespricht gemeinsam, wo es hingeht. Das ist schön. So gibt es<br />

immer mehr Raum für andere Projekte. Etwa mit dem Einsprechen<br />

von Reclam-Hörbüchern oder meinen Lesungen haben sich ganz<br />

neue Felder aufgetan. Da kann man umgekehrt wieder neue Kraft<br />

und Energie für die Fernsehproduktionen schöpfen.<br />

Zum Beispiel, wenn man fünf Stunden Effi Briest eingelesen hat<br />

– weil die Arbeit toll ist und es wunderbar ist, sich mit dieser<br />

Sprache, diesen Texten zu beschäftigen, die man seit seiner<br />

Schulzeit nicht mehr auf dem Schirm hatte. Die Schachnovelle von<br />

Stefan Zweig oder Der Sandmann von E. T. A. Hoffmann, was für<br />

unglaubliche Bücher! Letzteres eine Parabel der künstlichen<br />

Intelligenz, in unserer Zeit also ein hochaktuelles Thema. Oder<br />

Hoffmanns Erzählungen mit der künstlichen Figur der Olympia.<br />

Woher kommt das Verlangen der Menschen nach diesen Roboterwesen?<br />

Dann liest man Hoffmann und versteht es … das nimmt<br />

mich mit und macht mich glücklich.<br />

Nun treten Sie als Sprecher bei einem Melodramenabend bei<br />

der Schubertiade in Schwarzenberg auf. Wie kam es dazu?<br />

Der Pianist Helmut Deutsch hatte mich angesprochen, ob ich<br />

Melodramen kenne. Diese Musik, über die Texte gesprochen –<br />

nicht gesungen – werden, sind ein tiefer, ganz anderer Ansatz von<br />

Liedinterpretation. Und es ist für mich eine große Freude und<br />

Ehre, mit einem der besten Liedbegleiter der Welt zusammenzuarbeiten.<br />

Viele der Werke sind spätromantisch und damit vom Thema her<br />

oft sehr verträumt: Es geht um Ritter, um Natur, um schaurige<br />

Geisterwelten. Ist das heute noch aktuell?<br />

Es spielt zwar in diesen romantischen Welten, geht aber um viele<br />

große und teilweise auch harte Themen des Menschseins.<br />

Tatsächlich sterben in fast jedem Melodram eine oder mehrere<br />

Personen. Andererseits besteht bei vielen Menschen die Sehnsucht,<br />

in eine Märchenwelt einzutauchen. Diese Sehnsucht wird<br />

gerade in unserer hektischen Zeit immer größer und befeuert die<br />

Fantasie.<br />

■<br />

Am 10. <strong>Juni</strong> ist Hans Sigl als Sprecher zusammen mit Pianist Helmut Deutsch in einem<br />

Melodramenabend bei der Schubertiade Schwarzenberg zu erleben.<br />

Weitere Infos unter Telefon +43(0)5576-720 91 oder www.schubertiade.at<br />

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