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CRESCENDO 4/18 Juni-Juli-August 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.

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K Ü N S T L E R<br />

Herr Hofmeir, wie sieht Ihr Klischee eines<br />

Geigers aus?<br />

Andreas Martin Hofmeir: Geiger sind unfassbar strebsam, fleißig<br />

und sehr diszipliniert. Wer als Kind Geige lernt, muss früh<br />

anfangen und wahnsinnig viel üben. Und die Geiger können<br />

nichts anderes. Die können nicht Fußball spielen, nicht kochen<br />

und nicht Schafkopf spielen. Mit fünf Jahren werden Geiger<br />

eingesperrt und werden bis <strong>18</strong> nicht mehr gesehen.<br />

Und wie viel Wahrheit steckt darin?<br />

Benjamin Schmid: Nicht sehr viel. Wie in jedem anderen Klischee.<br />

Ich habe zwar in meinem Leben unglaublich viel geübt,<br />

sicher viel zu viel – aber es hat mir immer riesigen Spaß gemacht<br />

und ich hatte trotzdem Zeit für Dinge wie Bergsteigen, Skifahren<br />

und dergleichen. Denn das Leben ist immer noch wichtiger als die<br />

Karriere.<br />

Welches ist Ihr Lieblingsklischee eines Tubisten?<br />

Schmid: Blechbläser sind sehr trinkfest, spielen immer laut, und<br />

ein Tubist hat ein angeborenes Phlegma, ist von Natur aus<br />

gemütlicher.<br />

Hofmeir: Grundsätzlich kann man sagen, dass die Tubisten zu<br />

einer gemütlicheren Spezies gehören. Ab einem gewissen Niveau<br />

allerdings sind sogar die Tubisten fleißig. Aber im ersten Moment<br />

sind die Leute, die Tuba spielen, nicht unbedingt begierig auf die<br />

große Bühne und auf die große Virtuosität, denn sonst würden<br />

sie was anderes lernen. Trinkfest bin ich im Übrigen überhaupt<br />

nicht. Ich trinke nie viel und auch nicht wahnsinnig gern. Mein<br />

letzter Rausch ist Jahre her …<br />

Schmid: Genau. Ein Oberbayer trinkt wenig, aber oft.<br />

Und dann viel.<br />

Hofmeir: Ein Musiker hat das Problem, dass er oft am Abend<br />

arbeitet und die Leute dann erwarten, dass er nach der Arbeit<br />

feiert. Es gibt Handwerker, die feiern ihre Arbeit schon während<br />

der Arbeit! Was wiederum beim Musiker – sofern er seinen Beruf<br />

halbwegs ernsthaft betreibt – nicht möglich ist.<br />

Ganz ehrlich, Herr Hofmeir, hätten Sie jemals gedacht, dass Sie<br />

mit einem Geiger eine Platte machen würden?<br />

Hofmeir: Nein, nie! Benjamin Schmid hat einmal das Cellokonzert<br />

von Gulda mit der Bläserphilharmonie Mozarteum Salzburg<br />

aufgenommen – ein Stück, das seinem Portfolio wunderbar<br />

entspricht, weil es ein Crossover-Konzert zwischen Klassik und<br />

Jazz ist. Ich habe das zufällig gehört. Wir Professoren treffen uns<br />

natürlich mal auf dem Gang, aber dass wir uns gegenseitig Musik<br />

machen hören, kommt selten vor. Wir haben dann wahnsinnig<br />

FOTO: WOLFGANG LIENBACHER<br />

„Bei einer so<br />

spartanischen<br />

Besetzung zählen<br />

Vielfalt und<br />

Energie!“<br />

viel gespielt und ausprobiert. Wenn eine Besetzung so spartanisch<br />

ist, dann ist man entweder angewiesen auf Vielfalt oder Energie<br />

– im besten Fall auf beides.<br />

Wie wichtig war, dass die Chemie zwischen Ihnen gestimmt<br />

hat?<br />

Schmid: Das ist im Duo vermutlich mit am wichtigsten, weil das<br />

die persönlichste Art ist, musikalisch miteinander zu kommunizieren.<br />

Das muss passen. Wir verstehen uns und haben uns etwas<br />

zu sagen. Das ist eine konstruktive Gaudi.<br />

Ein Album ist – wenn man so will – auch immer eine Botschaft.<br />

Was möchte sie den Tubisten und Geigern da draußen mitteilen?<br />

Hofmeir: Dass nichts unmöglich ist! Gerade für unser Instrument<br />

sind Pionierleistungen wichtig. Wir haben noch nicht genug gutes<br />

Repertoire, um uns darauf auszuruhen. Die Tuba ist auf diesem<br />

Album eher atypisch. Ich spiele die Tuba gerne sehr leichtfüßig und<br />

filigran. Ich glaube, dass die Tuba durch diese Eigenschaften am<br />

interessantesten ist und die größte Wirkung auf das Publikum hat.<br />

Schmid: Andreas ist sicherlich der Tubist, der dem Instrument<br />

eine völlig neue Poesie verliehen hat. Die Botschaft von diesem<br />

Projekt ist, dass musikalisch viel Undenkbares möglich ist. Eben<br />

auch in einem ungewöhnlichen Duo, wenn man es nur mit der<br />

nötigen Ernsthaftigkeit und Leidenschaft betreibt. Macht was<br />

Neues! Probiert was aus! Nehmt es ernst!<br />

Hofmeir: Als Geiger kommt man ja gar nicht in den Genuss, was<br />

Neues zu machen. Es gibt ja so viel Repertoire. Es ist schwieriger,<br />

Geiger zu etwas völlig anderem zu motivieren, weil sie ja alles<br />

haben!<br />

Ihre Tuba, Herr Hofmeir, heißt „Fanny“ – hat Ihre Geige,<br />

Herr Schmid, auch einen Namen?<br />

Schmid: Ja, ich spiele eine Stradivari „ex Viotti“, die Giovanni<br />

Battista Viotti vor knapp 300 Jahren gespielt hat und damit einen<br />

prominenten Vorfahren als Spieler hatte. Wir feiern in diesem<br />

Jahr gemeinsam runde Geburtstage: Sie wird 300, ich werde 50.<br />

Hofmeir: Ich find das jetzt aber schon ein wenig morbid, dass man<br />

eine Geliebte, mit der man viel Zeit verbringt, nach ihrem<br />

vorherigen Liebsten benennt.<br />

Schmid: Aber du bist schon auch verliebt in deine Fanny?<br />

Hofmeir: Ja, schon. Man teilt ja gewisse<br />

Erinnerungen. Und jede Tuba bekommt<br />

irgendwann einmal Dellen. Wenn einen das<br />

stört, dann heiratet man nie. <br />

■<br />

Benjamin Schmid & Andreas Martin Hofmeir: „Stradihumpa“ (ACT)<br />

24 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Juni</strong> – <strong>Juli</strong> – <strong>August</strong> 20<strong>18</strong>

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