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CRESCENDO 4/18 Juni-Juli-August 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.

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A K U S T I K<br />

KLARINETTEN-KRIEGE<br />

Bis heute hängt der deutsch-französische Haussegen ausgerechnet in einem<br />

musikalischen Belang schief: Über die Frage des Klarinettensystems ist keine Einigung in Sicht.<br />

Ein Besuch am „Kriegsschauplatz“.<br />

VON KLAUS HÄRTEL<br />

Matthias Schorn und Laura Ruiz Ferreres gehören zu den wenigen Klarinettisten, die sich sowohl auf dem deutschen<br />

als auch auf dem Böhm-System zu Hause fühlen<br />

Beatles oder Stones? Mac oder PC? McDonalds oder Burger<br />

King? Es gibt im Leben diese Fragen, die scheinbar nur ein<br />

„Entweder-oder“ zulassen. Das ist in der Musik nicht<br />

anders. Auch bei den Klarinetten muss man sich entscheiden.<br />

Oehler oder Böhm? Deutsch oder französisch? Beides geht<br />

nicht. Ist durch diese Systemfrage am Ende gar die deutsch-französische<br />

Freundschaft in Gefahr?<br />

So dramatisch ist es nicht, doch in der Tat verläuft die Trennungslinie<br />

dieses Systems zwischen Deutschland, Österreich und<br />

der deutschsprachigen Schweiz auf der einen Seite und dem „Rest<br />

der Welt“ auf der anderen. In den „deutschsprachigen“ Orchestern<br />

hält man auch aus Tradition am deutschen System fest. Das hat<br />

durchaus Charme, weil damit – wie in der Sprache – ein bestimmter<br />

Dialekt bewahrt wird und diese regionale Eigenheit zu Unverwechselbarkeit<br />

und Diversität beiträgt.<br />

„Entweder-oder“ ist also die Devise. Und doch gibt es Musiker,<br />

die die hohe Kunst der Systemumstellung beherrschen. Die<br />

Spanierin Laura Ruiz Ferreres etwa – von 2006 bis 2010 Soloklarinettistin<br />

im Orchester der Komischen Oper Berlin und heute Professorin<br />

an der Frankfurter Musikhochschule – gehört zu den<br />

wenigen Künstlern, die beide Systeme beherrschen und lehren.<br />

Das Böhm-System von klein auf gelernt, war Laura Ruiz Ferreres<br />

seinerzeit gewarnt worden, das System nicht zu wechseln.<br />

„Aber ich war neugierig und ehrgeizig“, erzählt sie, „und ich habe<br />

es geschafft. Ich erinnere mich immer an meine Zeit als Akademistin<br />

bei der Staatskapelle Berlin, wo ich manchmal in Opern mit<br />

französischer A-Klarinette und deutscher B-Klarinette gespielt<br />

habe …“<br />

Auch Matthias Schorn, Soloklarinettist der Wiener Staatsoper<br />

bzw. der Wiener Philharmoniker „muss“ von Berufs wegen<br />

„deutsch“ spielen, obwohl er dereinst auf der Böhm gelernt hat.<br />

Voraussetzung aber, um ein Studium beginnen zu können, war das<br />

Umlernen auf das deutsche System. „In der Nachbetrachtung bin<br />

ich sehr glücklich, beide Klarinettensysteme kennengelernt zu<br />

FOTO: LUKAS BECK; AGENTUR<br />

48 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Juni</strong> – <strong>Juli</strong> – <strong>August</strong> 20<strong>18</strong>

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