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CRESCENDO 4/18 Juni-Juli-August 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.

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FOTOS: SEBASTIAN GÜNDEL; MARCO BORGGREVE; JULIA OKON<br />

Chefdirigent Karl-Heinz Steffens und Intendant Michael Kaufmann;<br />

in der kommenden Saison im Künstlerporträt zu erleben: Dirigent Michael Francis und Pinchas Zukerman<br />

man vollkommen unterschiedliche Menschen erreichen: von<br />

denen, die leger gekleidet in der Pause ein Bier trinken, bis zu den<br />

elegant Gekleideten mit Champagnerglas.“<br />

Und dann wäre da noch das Fehlen eines eigenen Konzertsaals<br />

für die Musiker der Deutschen Staatsphilharmonie. „Ein<br />

Orchester ohne Heimat ohne Haus ist nicht eingebunden in ein<br />

Gesamtprogramm. Das Wirken wird auf das einzelne Ereignis<br />

reduziert. Da fällt es schwer, etwas langfristig zu entwickeln,<br />

Stammpublikum aufzubauen“, erläutert Kaufmann. Deshalb hat<br />

er sich beispielsweise ausgedacht, dass Besucher ihr eigenes Abo<br />

aus den Angeboten in Ludwigshafen und Mannheim zusammenstellen<br />

können. Dennoch: „Jeder Musiker bei uns muss einen viel<br />

größeren Aufwand betreiben, weil er immer erst irgendwo hinfahren<br />

muss. Das fordert ganz schön Energie!“ Dennoch bleibt<br />

Kaufmann auch in Bezug auf die Herausforderung der „Heimatlosigkeit“<br />

Optimist: „Es ist eine großartige Leistung, wenn man<br />

die Musik zu den Menschen bringt! Wir kommen zu ihnen, nicht<br />

sie zu uns!“<br />

Auf die Frage, ob er sich einen eigenen Konzertsaal wünscht<br />

(spannende Aspekte zum Thema „Raum“ auch in unserem Themenschwerpunkt<br />

ab S. 73), fordert Kaufmann, man müsse sich von<br />

den alten starren Konzepten eines „Tempels der klassischen Musik“<br />

befreien, hindenken zu neuen flexiblen und multifunktionalen<br />

Bauten, die zum „gesellschaftlichen Kristallisationspunkt“ gedeihen<br />

können. Konzerte würden dann zu Ereignissen, in die nicht<br />

nur typische Klassikfans strömten. „In einer immer digitaleren<br />

Welt wird oft vergessen, dass es Versammlungsräume geben muss,<br />

in denen es noch absolut analog zugeht, in der echte Gemeinschaft<br />

entstehen kann und nicht nur eine User Group in irgendeinem<br />

Forum. Musik wird hier zum Diener und zum Motor ganz vitaler<br />

gesellschaftlicher Funktionen“, so Kaufmanns Vision. „Ich hasse<br />

es, wenn man uns in eine Nische sperrt! Als ich noch in der Kölner<br />

Philharmonie gearbeitet habe, war es immer unser Ehrgeiz, mehr<br />

Besucher zu erreichen als der 1. FC Köln. Das haben wir jedes Jahr<br />

geschafft!“<br />

Trotz all dieses Eifers und dieser Entwicklungen nimmt das<br />

Leitungsduo im Sommer von der Staatsphilharmonie Abschied.<br />

„Was Karl-Heinz Steffens und ich gemacht haben, war für alle<br />

Beteiligten – vom Ministerium bis zu den Mitarbeitern und Musikern<br />

– ein anstrengender Parcours! Denen haben wir viel zugemutet“,<br />

resümiert Kaufmann. Nun sieht er sich ganz ohne Bitternis<br />

am Ende eines Weges, auf dem er erst mal alles gegeben hat, was er<br />

aus seiner Sicht geben kann. „Man könnte sagen, dass ich sehr<br />

erfolgreich gescheitert bin“, lacht er und übergibt den Staffelstab<br />

beziehungsweise ein Orchester in Tipptopp-Zustand an seinen<br />

Nachfolger Beat Fehlmann. Die Chefdirigentenposition ist noch<br />

nicht neu besetzt und wird wohl eine Saison lang offen bleiben, bis<br />

der oder die Neue pünktlich zum 100. Geburtstag des Orchesters<br />

Ende 2019 in Steffens Fußstapfen tritt.<br />

Die kommende Saison ist noch das planerische Werk des<br />

scheidenden Intendanten. Kaufmann freut sich besonders, dass<br />

etwa Pinchas Zukerman wiederkommen wird, mit dem das<br />

Orchester acht Konzerte mit zwei unterschiedlichen Programmen<br />

gibt: „Der spielt und dirigiert nicht nur, sondern hält eine Art Masterclass<br />

für alle unsere Streicher!“ Außerdem wird im Rahmen<br />

eines Künstlerporträts der britische Dirigent Michael Francis<br />

15 Konzerte übernehmen, was trotz der chefdirigentenlosen Zeit<br />

für Kontinuität und eine persönliche Handschrift vom Pult aus<br />

sorgen wird. Weitere Highlights sind drei Konzerte mit Mozart,<br />

Haydn und dem Brahms-Doppelkonzert, bei der Musiker aus dem<br />

Orchester die Solisten sind und sich so in ungeahnter Stärke präsentieren<br />

können.<br />

Und was wünscht Kaufmann seinem Orchester für die<br />

Zukunft? Dass es weiterhin kontinuierlich, selbstkritisch und voller<br />

Energie an seiner Qualität arbeitet und eine unverzichtbare<br />

Kultureinrichtung in der ganzen Region bleibt!<br />

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