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CRESCENDO 4/18 Juni-Juli-August 2018

CRESCENDO - das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit John Neumeier, Sophie Pacini, Hans Sigl und David Aaron Carpenter.

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E R L E B E N<br />

FOTO: BAYERISCHE SCHLÖSSERVERWALTUNG, ACHIM BUNZ<br />

BAROCKER PRACHTBAU<br />

Seit April hat es wieder geöffnet, das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth – neben dem<br />

Festspielhaus am Grünen Hügel die zweite musikalische Instanz in der fränkischen Metropole.<br />

VON JASMIN GOLL<br />

„Wow!“ – das hört man am häufigsten, wenn die Besucher den Innenraum<br />

betreten. Nach sechs Jahren Sanierung und Restaurierung hat<br />

das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth im April seine Pforten<br />

wieder geöffnet. Das hat in der fränkischen Kleinstadt, die sonst nur<br />

zu den Bayreuther Festspielen voller Touristen ist, für viel Trubel<br />

gesorgt: Es gab im Vorfeld eine halbjährige Vortragsreihe zu Markgräfin<br />

Wilhelmine von Bayreuth, die das Opernhaus 1748 erbauen<br />

ließ, eine Tagung zu Johann Adolf Hasse, mit dessen Oper Artaserse<br />

das Haus damals und nun (wieder-)eröffnet wurde, und die Residenztage<br />

Bayreuth, die mit Führungen erste Einblicke gaben.<br />

Aber es ist ja auch ein Kleinod, das in Bayreuth für knapp 30<br />

Millionen wieder auf Vordermann gebracht wurde. Das Markgräfliche<br />

Opernhaus zählt europaweit zu den wenigen erhaltenen und<br />

größten Opernhäusern aus dem <strong>18</strong>. Jahrhundert. Jedes Detail im<br />

Haus scheint höfisches Wettrüsten durch Kunstbeflissenheit widerzuspiegeln:<br />

mit goldenem Blattwerk umwundene Säulen, ein prächtiges<br />

Deckengemälde, illusionistische Malereien und Verzierungen,<br />

soweit das Auge reicht. Für Richard Wagner war das zu viel des<br />

Guten. Auf der Suche nach einer geeigneten Spielstätte für seine<br />

Festspielidee begutachtete er auch dieses Opernhaus, hielt es aber<br />

für untauglich.<br />

Dabei hatte Markgräfin Wilhelmine, die Schwester von Friedrich<br />

dem Großen, keinen Geringeren als den Theaterarchitekten<br />

Giuseppe Galli-Bibiena, der zuvor für den Wiener Kaiserhof tätig<br />

gewesen war, für die Errichtung dieses Prachtbaus nach Bayreuth<br />

geholt. Bis zu 30 Restauratoren waren in den letzten Jahren am<br />

MARKGRÄFLICHES OPERNHAUS BAYREUTH<br />

Öffnungszeiten April – September: 9 – <strong>18</strong> Uhr,<br />

Oktober – März: 10 – 16 Uhr<br />

Tel.: +49-(0)921-75 96 90 | sgvbayreuth@bsv.bayern.de<br />

www.bayreuth-wilhelmine.de<br />

Werk, um dem Haus seine ursprüngliche<br />

Farbigkeit zurückzugeben, denn die<br />

Holzbalustraden im Logenhaus waren<br />

bei Restaurierungen im 20. Jahrhundert<br />

dunkel überpinselt worden. Die Bühnenkulissen<br />

von Bibiena wurden originalgetreu nachgebildet. Somit<br />

wird die einstige illusionistische Tiefenwirkung des Bühnenbilds<br />

von der Aufführung 1748 heute wieder erfahrbar.<br />

Während des regulären Museumsbetriebs stehen in den Sommermonaten<br />

nun Opernaufführungen und Konzerte auf dem Programm,<br />

unter anderem vom Straßburger Konservatorium, das<br />

zeigt, wie tanzbar Orchestermusik von Bach und Händel sein<br />

kann, und vom Theater Pilsen, das Monteverdis Orfeo in Szene<br />

setzt. Man darf gespannt sein, wie in Zukunft inszenierungsästhetisch<br />

und technisch mit dem Raum umgegangen wird. Die<br />

Artaserse-Aufführung der Theaterakademie <strong>August</strong> Everding<br />

München, mit der das Haus eröffnet wurde, versuchte einen Spagat<br />

zwischen Dekonstruktion und Anlehnung an historisches Erbe.<br />

Das Produktionsteam erarbeitete ein Pasticcio aus Artaserse und<br />

einzelnen Stücken aus Hasses Ezio und Argenore, Wilhelmines<br />

eigens komponierter Oper, sowie Ausschnitten aus Wilhelmines<br />

Briefen.<br />

Ein festes Ensemble wird es im Markgräflichen Opernhaus<br />

allerdings nie geben. Schließlich steht das Haus auf der Liste der<br />

UNESCO-Weltkulturerbestätten. Die Originalsubstanz des vollständig<br />

aus Holz und Leinwand bestehenden Logenhauses muss bewahrt<br />

werden und würde einen regen Spielbetrieb allein schon klimatisch<br />

nicht ertragen. Die Bühnentechnik wäre dazu durchaus in der Lage.<br />

Nach Wilhelmines Tod verfiel die barocke Bühnenmaschinerie,<br />

wurde ausgebaut und entsorgt. Seither ist die Bühne mit moderner<br />

Technik ausgestattet, auch wenn etwa Scheinwerfer im Zuschauerraum<br />

nur behutsam angebracht werden<br />

dürfen – keinesfalls mit Schrauben.<br />

Letztlich ist und bleibt das Markgräfliche<br />

Opernhaus eben doch ein Museum – ein<br />

Hingucker ist es aber in jedem Fall. n<br />

64 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Juni</strong> – <strong>Juli</strong> – <strong>August</strong> 20<strong>18</strong>

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