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DAS ZAUBERPULVER

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DER MENSCHENSCHEUE TISCHLER<br />

Tief im Innern des gewaltigen nordamerikanischen Kontinents lag, von einer großen Wüste<br />

und unbezwingbaren Bergen umgeben, ein Wunderland, in dem gute und böse Feen lebten<br />

und die Tiere wie Menschen sprachen. Dort war es immer Sommer, und unter der ewig<br />

heißen Sonne wuchsen auf den Bäumen ungewöhnliche Früchte.<br />

Im Südwesten dieses Landes - man nannte es das Blaue Land - lebte das Volk der Käuer:<br />

sanfte, liebe Menschlein, die nicht größer waren als achtjährige Knaben in anderen<br />

Ländern, in denen es keine Wunder gibt.<br />

Herrscherin im Blauen Land der Käuer war die böse Zauberin Gingema. Sie lebte in einer<br />

tiefen finsteren Höhle, der sich kein Mensch zu nähern wagte. Nur einer, ein Mann namens<br />

Urfin, baute sich zur Verwunderung aller ein Haus unweit der Höhle der Zauberin.<br />

Dieser Urfin hatte sich von klein auf durch Zanksucht von seinen Landsleuten<br />

unterschieden. Nur selten spielte er mit anderen Kindern, und wenn er es tat, forderte er<br />

von ihnen blinden Gehorsam. Meistens endeten die Spiele, an denen er teilnahm, mit einer<br />

Rauferei.<br />

Urfins Eltern waren früh gestorben, und ein Tischler, der in dem Dörfchen Kogida lebte,<br />

hatte den Jungen zu sich in die Lehre genommen. Während er heranwuchs, wurde er<br />

immer zänkischer. Als er das Handwerk erlernt hatte, ging er ohne Bedauern und ohne ein<br />

Wort des Dankes von seinem Lehrmeister fort. Der brave Mann aber war ihm nicht böse.<br />

Er schenkte ihm sogar Werkzeug und was ein Handwerker sonst noch für den Anfang<br />

braucht.<br />

Aus dem Knaben war ein geschickter Tischler geworden. Er machte Tische und Bänke,<br />

landwirtschaftliche Geräte und vieles andere. Seltsamerweise übertrugen sich aber seine<br />

Boshaftigkeit und Zanksucht auf die Dinge, die er herstellte. Seine Heugabeln stießen die<br />

Leute in die Rippen, die Schaufeln schlugen sie auf die Köpfe, und die Rechen schienen es<br />

darauf angelegt zu haben, ihren Herren zwischen die Beine zu fahren, damit sie umfielen.<br />

Urfin verlor seine Käufer.<br />

Er begann Spielsachen zu schnitzen. Seine Hasen, Bären und Hirsche hatten aber solch<br />

grauenhafte Köpfe, daß die Kinder bei ihrem Anblick erschraken und dann die ganze<br />

Nacht weinten. Die Spielsachen verstaubten in Urfins Kammer, denn niemand wollte sie<br />

kaufen.<br />

Urfin wurde bitterböse. Er gab seinen Beruf auf und ließ sich im Dorf nicht mehr sehen.<br />

Von da an lebte er nur noch von den Früchten seines Gartens.<br />

Der menschenscheue Tischler haßte seine Landsleute so sehr, daß er ihnen in nichts<br />

gleichen wollte. Die Käuer wohnten in blauen runden Häuschen mit spitzen Dächern, auf<br />

denen oben Kristallkugeln glitzerten. Urfin aber baute sich ein viereckiges Haus, das er<br />

braun anstrich und auf dessen Dach er einen ausgestopften Adler setzte.<br />

Die Käuer trugen blaue Röcke und blaue Stulpenstiefel, Urfins Rock und Stiefel aber<br />

waren grün. Die Käuer trugen Spitzhüte mit breiten Krempen, an denen Silberschellen<br />

baumelten, Urfin aber mochte keine Schellen und trug einen Hut ohne Krempe. Die<br />

weichherzigen Käuer weinten bei jedem Anlaß, in Urfins bösen Augen aber hatte noch<br />

niemand eine Träne gesehen.

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