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DAS ZAUBERPULVER

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Urfin wollte durch dieses Schauspiel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens der<br />

Eule vortäuschen, daß er jetzt ein echter Zauberer sei, und zweitens seine Untertanen in<br />

Angst und Staunen versetzen.<br />

Beides gelang ihm. Die Eule, die bei Kerzenlicht schlecht sah, fiel auf den Schwindel<br />

herein und nickte beifällig. Auch auf die Hofleute und Räte verfehlte das Schauspiel seine<br />

Wirkung nicht.<br />

Nach dem Schmaus erzählten sie zu Hause ihren Angehörigen, was sie gesehen und gehört<br />

hatten, und dabei fehlte es, natürlich nicht an Übertreibungen.<br />

Bald verbreitete sich das Gerücht im Lande, der Zauberer Urfin habe beim Festmahl<br />

lebende Eidechsen und Schlangen gegessen, und das erfüllte die Bürger mit Abscheu und<br />

Entsetzen.<br />

Drei Tage nach dem Schmaus legte der Hofchronist eine große Abhandlung vor, in der er<br />

unumstößlich bewies, daß Urfin ein direkter Nachfahre der alten Könige sei, die einst über<br />

das ganze Wunderland geherrscht hatten.<br />

Daraus zog der Chronist zwei wichtige Schlüsse. Erstens, daß Urfin nach verbrieftem<br />

Recht das Erbe der alten Herrscher angetreten habe, und zweitens, daß die Zauberinnen<br />

Stella und Willina rechtswidrig Urfins Erblande an sich gerissen hätten, aus welchem<br />

Grunde die dreisten Landräuberinnen mit Krieg überzogen und vertrieben werden müßten.<br />

Als Lohn für sein Werk erhielt der Chronist einen silbernen Becher, der einem Kaufmann<br />

weggenommen und noch nicht an die Schatzkammer des Schlosses abgeliefert worden<br />

war.<br />

Urfin beschloß, eine Polizeitruppe aufzustellen, die die Leute bespitzeln und die<br />

Unzufriedenen festnehmen sollte. Die Soldaten waren ihm für dieses Amt zu ungeschickt.<br />

Er fertigte den ersten Polizisten an und beauftragte seine Gehilfen, ihn bei der weiteren<br />

Arbeit als Modell zu benutzen. Binnen kurzer Zeit überschwemmte die Polizei Stadt und<br />

Land.<br />

Die Polizisten waren dünner und schwächer als die Soldaten, hatten aber lange, flinke<br />

Beine und riesige Ohren zum Horchen. Ihre Arme bestanden aus Baumwurzeln, deren<br />

Endverästelungen die Finger bildeten. Manche Polizisten hatten ihrer sieben bis zehn an<br />

jeder Hand, was Urfin für einen großen Vorteil hielt, da sie so ihre Opfer besser packen<br />

konnten. Er bewaffnete die Polizisten mit Schleudern, in deren Handhabung sie es bald zu<br />

großer Fertigkeit brachten.<br />

Der Polizeichef hatte längere Beine und Arme und mehr Finger an den Händen als seine<br />

Untergebenen und durfte, wie der Oberste Zeremonienmeister, jederzeit bei Urfin zur<br />

Berichterstattung erscheinen.<br />

Im Keller des Schlosses arbeiteten Tag und Nacht zwei ehemalige Soldaten, ein grüner und<br />

ein blauer, die zu Gefreiten befördert worden waren. Die Tischlerarbeit ging ihnen flott<br />

von der Hand, und bald hatten sie in einer Ecke der Werkstatt ganze Stapel hölzerner<br />

Soldatenrümpfe aufgeschichtet. Daneben lagen Haufen von Holzkugeln für die Köpfe. Für<br />

jeden Zug wurde ein Unteroffizier aus Mahagoniholz angefertigt.<br />

Abends schloß sich Urfin in einem besonderen Zimmer ein, wo er die Gesichter in die<br />

Kugeln schnitt und ihnen Augen aus grünen, roten und lila Glasknöpfen einsetzte.<br />

Er befestigte die Köpfe auf den Rümpfen und bestreute die Soldaten mit dem<br />

Zauberpulver. Dann wurden die neuen Mannschaften bemalt und nach dem Trocknen der

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