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Wohlauf in Gottes schöne Welt<br />
hältnisse und damit für freie Sicht gesorgt. Der wohl herrlichste<br />
Panoramablick im oberen Lahntal ist ein einziger<br />
Genuss. Im Tal liegt Feudingen, weiter entfernt sieht man in<br />
der grünen Flur unter anderem Rückershausen, Oberndorf,<br />
Steinbach und Bermershausen.<br />
So steil wie es auf der einen Seite bergauf ging, so steil<br />
geht es auf der anderen wieder bergab. Nur die hohen Fichten<br />
fehlen. Sie wurden umgeblasen. Und wer war`s? Raten Sie<br />
mal! Das Wandervergnügen jedenfalls ist ungleich höher als<br />
zuvor. An etlichen Felsformationen vorbei geht es ins Tal des<br />
Bachs, der bei der Wegbezeichnung Pate stand. Nicht allzu<br />
fern kommen einige Häuser des Ortsteils Feudingerhütte ins<br />
Blickfeld. Dort mündet dieser Bach in die Lahn.<br />
„Das ist nun die Ilse, die liebliche, süße Ilse. Sie zieht sich<br />
durch das gesegnete Ilsetal, an dessen beiden Seiten sich die<br />
Berge allmählich höher erheben…“ Und etwas später: „Ja,<br />
die Sage ist wahr, die Ilse ist eine Prinzessin, die lachend und<br />
blühend den Berg hinabläuft.“ Mit diesen Worten beschrieb<br />
einst mein lieber Freund Heinrich H. in seinem Büchlein<br />
„Die Harzreise“ den Bach mit dem schönen Frauennamen.<br />
Ja, gut, der Buchtitel verrät es schon. Gemeint ist eine Namensbase,<br />
die in einem östlicheren Gebirge ihr Wesen treibt.<br />
Die Worte des alten Schwerenöters freilich passen auch auf<br />
unsere Ilse mit ihrem Gemurmel und ihrem Geplätscher. Finde<br />
zumindest ich. Wir dürfen sie leider nur ein Viertelstündchen<br />
in ihrem gesegneten Tal begleiten, dann folgen wir dem<br />
Wegzeichen und begeben uns auf die andere Seite, wo sich<br />
die Berge allmählich höher erheben und wo ein Rinnsal mit<br />
dem Namen „Weidelbach“ rinnsalt.<br />
Wer freilich Gefallen an der Ilse gefunden hat, der kann<br />
bei einer anderen Tagestour auch noch länger in ihrem Tal<br />
wandern. Ein Rothaarsteig-Zubringerweg führt bis zur<br />
Quelle. Vor dem Dreißigjährigen Krieg war diese als „Heiliger<br />
Born“ weit und breit bekannt. Viele „Presshafte“, wie<br />
man die Kranken damals nannte, kamen zum Teil aus weiter<br />
Entfernung gepilgert. Sie suchten Heilung oder zumindest<br />
Linderung durch das Quellwasser. Wissenschaftler stellten<br />
vor noch nicht allzu langer Zeit fest, dass sich dieses<br />
durch eine „rechtsdrehende positive Polarisierung“ vom<br />
normalen Trinkwasser unterscheidet. Und genau diese Eigenschaft<br />
hat auch das Quellwasser in Lourdes.<br />
Und noch ein Gewässer nimmt beim Ilsetalpfad eine dominante<br />
Stellung ein. Es ist auf halber Höhe der künstlich<br />
angelegte „Weidelbacher Weiher“. Ein herrlicher Ort für die<br />
Halbzeitpause, ein Ort wie gemalt. Ich schreibe in mein Notizbuch:<br />
„Weit über das Wasser ragen die Äste der alten Eichen<br />
auf dem breiten Damm; wie eine polierte Metallscheibe<br />
wirkt die glatte Oberfläche. Auf ihr spiegeln sich die Wolken<br />
am Himmel und die gegenüberliegenden Fichten. Etwas Bewegung<br />
gibt es durch ein knappes Dutzend Wildenten, die<br />
kleine Bugwellen vor sich her schieben. Die in allen Größen<br />
sogar am seichten Ufer schwimmenden Forellen schnappen<br />
ab und an nach einer Mücke und sorgen durch ihr Plätschern<br />
beim Zurückfallen für die einzigen Geräusche in der ansonsten<br />
herrschenden himmlischen Ruhe. Eine große Fläche ist<br />
bedeckt und geschmückt mit Seerosen, über ihnen tänzeln<br />
und flattern bunte Schmetterlinge; eifrige Libellen, grüne<br />
und blaue, schwirren hingegen pfeilschnell dicht über den<br />
Schachtelhalmbeständen in Ufernähe.“<br />
Nach der „Idylle pur“ folgt mit der „Bettelmannsbuche“<br />
noch ein erwähnenswerter Ort. Fahrendes Volk soll hier in<br />
alten Zeiten des Öfteren gelagert haben. Der Baum selbst<br />
wurde vor vier Jahrzehnten von einem Sturm umgeworfen.<br />
Dank einer neuen Schutzhütte wird die Erinnerung an die<br />
Buche und die Fahrenden wach gehalten.<br />
Ab hier beginnt die zweite Hälfte des „Mischmaschwegs“<br />
und diese ist für Wohlfühlwanderer keine Offenbarung. Monotonie<br />
unter Fichten! Ideal? Nie und nimmer! Viele reizlose<br />
Kilometer auf breiten Wirtschaftswegen! Kaum einmal<br />
eine Aussicht! Manch einem ist das egal. Mir nicht! Wenn<br />
man am Schluss wieder ins Lahntal blicken kann, dann ist<br />
das Ende der Wanderung und damit die „gefühlte Erlösung“<br />
nicht mehr fern. Wegen dieser unattraktiven Schlusshälfte<br />
steigt der Anteil der befestigten Wege auf über 85 Prozent.<br />
Wer die Wanderung wegen des Wortes „Pfad“ im Wegnamen<br />
unternimmt, der fühlt sich angeschmiert. Wohl wegen<br />
der gefälligen Passagen auf dem ersten Streckenabschnitt hat<br />
das Deutsche Wanderinstitut den Ilsetalpfad als Premiumweg<br />
zertifiziert. Hierüber lässt sich streiten. Ein Großteil der<br />
Tour ist übrigens identisch mit dem von der Quelle bis nach<br />
Lahnstein führenden Lahnwanderweg.<br />
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2/<strong>2016</strong> durchblick 15