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2016-02

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St. Marien-Krankenhaus in Siegen<br />

Foto:Rita Petri<br />

noch eine Lungenentzündung oder ein Delir entwickelt. Im<br />

Vergleich zu dem jungen Patienten besteht ein gewaltiger<br />

Unterschied. Wie können solche Patienten pauschaliert korrekt<br />

abgerechnet werden? Die Kodierung der verschiedenen<br />

Krankheiten und angewandten Prozeduren ist eine Kunst für<br />

sich, die Ärzte werden hier von der Industrie- und Handelskammer<br />

geschult und von dieser auch zertifiziert (also auch<br />

von einem Wirtschaftsunternehmen). Dennoch: die Fehlerquote<br />

liegt bei 15 – 20 % ! Nach Einführung dieser DRGs hat<br />

sich die Dauer der Krankenhausaufenthalte von 11 auf 7,5<br />

Tage im Durchschnitt reduziert. Auf wessen Kosten?<br />

Die divergenten gesundheitlichen Probleme und Bedürfnisse<br />

hoch betagter multimorbider<br />

Menschen können durch die DRGs nicht abgebildet<br />

werden, sie sind nur auf die wirtschaftlichen Bedingungen/<br />

Anforderungen des Krankenhauses gerichtet. Ältere Kranke<br />

brauchen allerdings weit mehr. Geriatrische und soziale<br />

Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen, und man muss<br />

sich auch mit rehabilitativen Maßnahmen befassen. Der alte<br />

Mensch ist völlig überfordert, vieles wird im Schnellverfahren<br />

über seinen Kopf hinweg geregelt und entschieden (Zeit<br />

ist Geld). Die Einführung der DRGs hat die Krankenhauslandschaft<br />

revolutioniert. Das Krankenhaus hat seine soziale<br />

Funktion verloren, um es noch einmal zu wiederholen.<br />

Übrigens: bisher sind etwa 1700 Fallpauschalen und 170<br />

Zusatzentgelte durch die DRGs definiert.<br />

Die Pflege<br />

Ein wichtiger Teil der staatlichen Daseinsfürsorge ist das<br />

Vorhalten einer ausreichenden und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung<br />

der Bevölkerung. Dieses ist im Grundgesetz<br />

verankert. Im Krankenhausfinanzierungsgesetz wird<br />

dieser Grundsatz ausdrücklich formuliert, leider aber nach<br />

der Einführung der DRGs nicht umgesetzt. In mehreren Urteilen<br />

des Bundesverfassungsgerichtes wurde herausgestellt,<br />

dass die leistungsfähige und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung<br />

ein unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung<br />

und ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut ist. Im<br />

Vordergrund sollte immer die sachgerechte medizinische<br />

Versorgung der Bevölkerung stehen, danach kommt erst die<br />

dadurch bedingte Kostenbelastung des Gemeinwesens.<br />

Die Zahl der Pflegekräfte hat abgenommen, es fand eine<br />

Entlassungswelle Mitte der neunziger Jahre bis etwa 2005<br />

statt, aber die Zahl der zu versorgenden Patienten hat sich<br />

im gleichen Zeitraum erhöht. Hinzu kommt noch die erhebliche<br />

Verkürzung der Krankenhausliegezeiten durch die<br />

DRGs. Das bedeutet, der pflegerische Aufwand pro Patient<br />

hat erheblich zugenommen, auch durch die Kompliziertheit<br />

der chirurgischen Eingriffe und die dadurch bedingte entsprechende<br />

Nachsorge. Das alles zeigt, eine qualitativ hochwertige<br />

Pflege kann nicht zustande kommen. Gute Pflege<br />

braucht vor allem Zeit und Erfahrung, braucht Hinwendung<br />

und Einfühlungsvermögen. Das alles ist unter Zeitdruck nicht<br />

machbar, besonders nicht im Hinblick auf eine ältere Patientenklientel.<br />

Qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung<br />

sind nur bei zahlenmäßig guter Personalausstattung zu leisten.<br />

Personalmangel, schlechte Bezahlung und geringe Qualifikation<br />

wirken sich unmittelbar auf die Pflegequalität aus.<br />

Gewerkschaften, der Deutsche Pflegerat und die Bundesärztekammer<br />

rufen schon über Jahre zu einer Verbesserung der<br />

Personalausstattung in den Kliniken auf. Der Personalbemessungsschlüssel<br />

muss geändert und dem tatsächlichen Bedarf<br />

angepasst werden. Hier sind vor allem die Länder gefordert.<br />

Personalmangel kann nicht die vom Minister Gröhe geforderte<br />

qualitativ hochwertige Pflege leisten. Der Pflegeberuf<br />

verliert deutlich an Attraktivität. Überhaupt nicht verantwortbar<br />

ist die schlechte Personalbesetzung in den Nächten und an<br />

den Feiertagen, besonders frisch Operierte sind hier erheblich<br />

gefährdet, die Mortalität steigt! Über einen bestimmten Pflegedienstschlüssel<br />

wird die Anzahl der Vollzeitkräfte auf die<br />

von ihnen versorgten Patienten festgelegt.<br />

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2/<strong>2016</strong> durchblick 61

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