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St. Marien-Krankenhaus in Siegen<br />
Foto:Rita Petri<br />
noch eine Lungenentzündung oder ein Delir entwickelt. Im<br />
Vergleich zu dem jungen Patienten besteht ein gewaltiger<br />
Unterschied. Wie können solche Patienten pauschaliert korrekt<br />
abgerechnet werden? Die Kodierung der verschiedenen<br />
Krankheiten und angewandten Prozeduren ist eine Kunst für<br />
sich, die Ärzte werden hier von der Industrie- und Handelskammer<br />
geschult und von dieser auch zertifiziert (also auch<br />
von einem Wirtschaftsunternehmen). Dennoch: die Fehlerquote<br />
liegt bei 15 – 20 % ! Nach Einführung dieser DRGs hat<br />
sich die Dauer der Krankenhausaufenthalte von 11 auf 7,5<br />
Tage im Durchschnitt reduziert. Auf wessen Kosten?<br />
Die divergenten gesundheitlichen Probleme und Bedürfnisse<br />
hoch betagter multimorbider<br />
Menschen können durch die DRGs nicht abgebildet<br />
werden, sie sind nur auf die wirtschaftlichen Bedingungen/<br />
Anforderungen des Krankenhauses gerichtet. Ältere Kranke<br />
brauchen allerdings weit mehr. Geriatrische und soziale<br />
Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen, und man muss<br />
sich auch mit rehabilitativen Maßnahmen befassen. Der alte<br />
Mensch ist völlig überfordert, vieles wird im Schnellverfahren<br />
über seinen Kopf hinweg geregelt und entschieden (Zeit<br />
ist Geld). Die Einführung der DRGs hat die Krankenhauslandschaft<br />
revolutioniert. Das Krankenhaus hat seine soziale<br />
Funktion verloren, um es noch einmal zu wiederholen.<br />
Übrigens: bisher sind etwa 1700 Fallpauschalen und 170<br />
Zusatzentgelte durch die DRGs definiert.<br />
Die Pflege<br />
Ein wichtiger Teil der staatlichen Daseinsfürsorge ist das<br />
Vorhalten einer ausreichenden und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung<br />
der Bevölkerung. Dieses ist im Grundgesetz<br />
verankert. Im Krankenhausfinanzierungsgesetz wird<br />
dieser Grundsatz ausdrücklich formuliert, leider aber nach<br />
der Einführung der DRGs nicht umgesetzt. In mehreren Urteilen<br />
des Bundesverfassungsgerichtes wurde herausgestellt,<br />
dass die leistungsfähige und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung<br />
ein unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung<br />
und ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut ist. Im<br />
Vordergrund sollte immer die sachgerechte medizinische<br />
Versorgung der Bevölkerung stehen, danach kommt erst die<br />
dadurch bedingte Kostenbelastung des Gemeinwesens.<br />
Die Zahl der Pflegekräfte hat abgenommen, es fand eine<br />
Entlassungswelle Mitte der neunziger Jahre bis etwa 2005<br />
statt, aber die Zahl der zu versorgenden Patienten hat sich<br />
im gleichen Zeitraum erhöht. Hinzu kommt noch die erhebliche<br />
Verkürzung der Krankenhausliegezeiten durch die<br />
DRGs. Das bedeutet, der pflegerische Aufwand pro Patient<br />
hat erheblich zugenommen, auch durch die Kompliziertheit<br />
der chirurgischen Eingriffe und die dadurch bedingte entsprechende<br />
Nachsorge. Das alles zeigt, eine qualitativ hochwertige<br />
Pflege kann nicht zustande kommen. Gute Pflege<br />
braucht vor allem Zeit und Erfahrung, braucht Hinwendung<br />
und Einfühlungsvermögen. Das alles ist unter Zeitdruck nicht<br />
machbar, besonders nicht im Hinblick auf eine ältere Patientenklientel.<br />
Qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung<br />
sind nur bei zahlenmäßig guter Personalausstattung zu leisten.<br />
Personalmangel, schlechte Bezahlung und geringe Qualifikation<br />
wirken sich unmittelbar auf die Pflegequalität aus.<br />
Gewerkschaften, der Deutsche Pflegerat und die Bundesärztekammer<br />
rufen schon über Jahre zu einer Verbesserung der<br />
Personalausstattung in den Kliniken auf. Der Personalbemessungsschlüssel<br />
muss geändert und dem tatsächlichen Bedarf<br />
angepasst werden. Hier sind vor allem die Länder gefordert.<br />
Personalmangel kann nicht die vom Minister Gröhe geforderte<br />
qualitativ hochwertige Pflege leisten. Der Pflegeberuf<br />
verliert deutlich an Attraktivität. Überhaupt nicht verantwortbar<br />
ist die schlechte Personalbesetzung in den Nächten und an<br />
den Feiertagen, besonders frisch Operierte sind hier erheblich<br />
gefährdet, die Mortalität steigt! Über einen bestimmten Pflegedienstschlüssel<br />
wird die Anzahl der Vollzeitkräfte auf die<br />
von ihnen versorgten Patienten festgelegt.<br />
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2/<strong>2016</strong> durchblick 61