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Unterhaltung<br />
Die unverstandenen Nachrichten<br />
Foto:Ulla D'Amico<br />
Die Zeiten, dass meine Hände zitterten, wenn ich<br />
zum Handy griff, sind Gott sei Dank vorbei. Ich habe<br />
nämlich in einem Volkshochschul-Kurs Nachhilfe<br />
genommen. Seitdem sage ich DU zu diesem Gerät<br />
und seinen Tasten. Ja, heute danke ich seinem Erfinder und<br />
genieße es, Jedermann an fast jedem Ort jederzeit erreichen<br />
zu können. Man kann ja sogar, unter Beachtung der<br />
Nebengeräusche, schnell herausfinden, wo die Kinder sich<br />
gerade befinden.<br />
Einmal hatte ich unsere Jüngste aus einem, wie ich<br />
glaubte, unseriösen Film, herausgeholt. Kurz nach diesem<br />
Zwischenfall bemerkte ich, dass mein Handy, übrigens<br />
nicht mehr so das allerneueste Modell, irgendwie nicht richtig<br />
funktionierte. Ich brachte es zum Überprüfen weg und<br />
bat meine Tochter Karo, mir doch ihres für zwei Tage zu leihen.<br />
Die Ausleihgebühr, in Form eines Eisgutscheines, die<br />
ich im Voraus zahlte, hatte ihre sofortige Einwilligung zur<br />
Folge. Was sie allerdings nicht bedacht hatte, war, dass ich<br />
ja nun Gelegenheit hatte, all ihre eingehenden Nachrichten<br />
zu lesen. Also, nicht das ich überaus neugierig war…doch<br />
als während des Kaffeetrinkens bei Frau Stock, mehrfach<br />
ein unüberhörbarer Brummton den Eingang einer Nachricht<br />
signalisierte, griff ich schließlich zum Leihhandy um<br />
nachzuschauen, ob da vielleicht eine wichtige Mitteilung<br />
für Karo angekommen war.<br />
Es gab tatsächlich einige Nachrichten, doch die schienen<br />
aus einer anderen Sprachregion zu sein. Da stand zum Beispiel:<br />
„Hi Karo, lass meine Bierdeckel rüberwachsen, Basti.“<br />
Oder „Hi Karo, Date mit deinem Lover war voll krass,<br />
wurde zugeföhnt bis zum Switschen. Ciao Tini.“ Aber das<br />
war noch nicht alles. Im Speicher der Ausgangspost war<br />
alles noch rätselhafter. Karo an Evi: „WWS? Love“ und<br />
Evi an Karo: „NOK! Sorry” Was war das für eine Kommunikation?<br />
Was soll das alles heißen und mit was für Leuten<br />
hat meine Tochter bloß Umgang? Ich wollte sofort Klarheit<br />
und ging mit Frau Stock zur Volkshochschule, um die Profis<br />
aus dem „Internet-Cafe“ zu fragen. Zum Glück trafen wir<br />
da Simon, den mir bekannten Finanzbeamten im Ruhestand<br />
und seine Lebensabschnittsgefährtin Silke. Zu viert starteten<br />
wir ein quizähnliches Spiel, zur Entschlüsselung der<br />
Geheimbotschaften. „Bierdeckel, ist absoluter Klartext“,<br />
sagte Simon. „Wahrscheinlich sammelt deine Tochter diese<br />
Dinger. Das ist doch ganz harmlos!“ Ich protestierte<br />
energisch: „Die trinkt kein Bier und sammelt auch keine<br />
Deckel!“ „Ne, ne“, meinte Silke, „da steht doch, dass einer<br />
beim Friseur zugeföhnt wurde.“ Ungläubig schüttelte ich<br />
den Kopf: „Karo geht nie zum Friseur!“ Aber Silke überlegte<br />
weiter: „Was heißt denn eigentlich switschen? Vielleicht<br />
soll das zwitschern heißen. Das sagt man doch in der Ganovensprache.<br />
Also gemeint ist, jemanden verpfeifen.“ Nun<br />
wurde ich aber laut: „Jemanden verpfeifen und föhnen, das<br />
hört sich für mich wie Folter an!“ Frau Stock wollte mich<br />
beruhigen und sagte: „Das ist bestimmt ein Tippfehler und<br />
soll schwitzen heißen. Wäre doch passend wenn man unter<br />
einem Föhn sitzt.“ Aber ich ließ mich nicht so schnell von<br />
irgendetwas überzeugen und fragte weiter: „Was sagt euch<br />
denn die Abkürzung : WWS?“ Silke meinte es sofort zu<br />
wissen. „Das ist noch ein Tippfehler! Alle Internetadres-<br />
52 durchblick 2/<strong>2016</strong>