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2016-02

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Essay<br />

Oder haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass das lebenslange<br />

Bemühen um Verständigung gescheitert ist? Haben<br />

wir versagt, wenn wir heute über Parallelgesellschaften<br />

sprechen? Findet man in einer devoten Verhaltensänderung<br />

den Weg, den Glauben an das Gute?<br />

Das glaube ich ganz und gar nicht! Man fühlt sich in<br />

eine Verantwortung gerufen und weiß nicht, aus welcher<br />

Kraftquelle man sich ihr stellen kann. So unterschiedlich<br />

die Motivation, Hintergründe, Wünsche und Hoffnungen<br />

zu der „Wandlung“ auch sein mögen, in Wirklichkeit geht<br />

es immer darum, dass wir offenbar nicht nur einen Wunsch<br />

verspüren, sondern einen Auftrag fühlen, unsere Wesenswirklichkeit<br />

zu erfahren und aus solchem Erfahren heraus<br />

handeln wollen. Und diese Aufgaben sind irdisch!<br />

Ich glaube, dass alle Menschen auf der Welt dieses<br />

ernsthafte Anliegen haben. Aber wie kommen wir auf den<br />

richtigen Weg? Der Weg zum inneren und damit auch zum<br />

äußeren Frieden?<br />

Wie kann man zu etwas Höherem gelangen, als dass<br />

man sich allen Opfern, die das Leben auferlegt, willig hingebe,<br />

damit der Wille zum Ideal sich in das Leben selbst<br />

verwandle – und wie kann man selbst werden als durch<br />

das Leben? Den Mut zum ewigen Kampf um das Ideal des<br />

Gedankens hätte wohl der Mensch, aber er vergisst`s und<br />

verschläft`s.<br />

Bettina Brentano<br />

Das sitzt! Sind wir zu faul, zu bequem für neue Gedanken?<br />

Machen wir es uns leicht mit dem religiösen Weg,<br />

einem Weg der bedingungslosen Glauben verlangt. Den habe<br />

ich nicht. Ich bin als „Protestant“ getauft und das bleibt<br />

in mir. Ich bin nicht ausgestattet, die Geheimnisse des Glaubens<br />

zu ergründen oder vorbehaltlos anzuerkennen. Kritische<br />

Nachfragen sind notwendig und zulässig.<br />

Hans Blumenberg schreibt dazu in seinem Buch „Die<br />

Lesbarkeit der Welt der Religionen“.<br />

Diese Adam und Eva Geschichte vom Paradies haben<br />

ja Männer erzählt. Und die vom Paradies und den vielen<br />

Jungfrauen auch. Aber wahr ist auch, dass ein guter Glaube<br />

Menschen nachhaltiger kooperieren lässt.<br />

Freunde sagen mir, ich solle nicht alles so nah an mich<br />

heranlassen. Wie soll das denn gehen? Gibt es einfache<br />

Lösungen? Ich kenne keine. Das Thema bleibt auf der Tagesordnung.<br />

Angesichts der furchtbaren Kriege, Flucht und Vertreibung<br />

in dieser Welt und der zerstörerischen Gewalt gegen<br />

Menschen, deren Ursache oft im unterschiedlichen Glauben<br />

begründet ist, zweifle ich an der versöhnenden Kraft<br />

der Religionen. Wer hat denn die Deutungshoheit in der<br />

religiösen Tauschbörse der Macht? Wer schließt die Hölle<br />

der Gewalt in dieser Welt? Wir Menschen können es offenbar<br />

nicht!<br />

Ob mein Mitpatient anruft weiß ich nicht. Ich würde<br />

mich aber sehr freuen.<br />

Eberhard Wagner<br />

Wussten Sie, dass<br />

es in fünf Ländern<br />

der Erde<br />

einen eigenen Ministerposten<br />

für die Frage des<br />

Glücks gibt? Ein solcher<br />

Posten wurde in den Ländern<br />

Bhutan, Ecuador,<br />

Der Kommentar<br />

Eine Frage des Glücks<br />

Horst Mahle<br />

Schottland, Vereinigte<br />

Arabische Emirate und<br />

Venezuela geschaffen. In<br />

diesen Tagen wurde der<br />

Weltglücksbericht veröffentlicht.<br />

Laut dieser weltweiten<br />

Studie sind die Dänen<br />

am glücklichsten und Deutschland schafft im Ranking<br />

der glücklichsten Länder immerhin den Platz 16. Man fragt<br />

sich natürlich sofort, wodurch denn das Glücklich sein des<br />

Einzelnen bestimmt ist.<br />

Der für die Vereinten Nationen erstellte Bericht verbindet<br />

u.a. Länderdaten mit Befragungen über die Selbstwahrnehmung<br />

ihrer Bewohner. Er berücksichtigt das Bruttoinlandsprodukt<br />

pro Kopf, die durchschnittliche Lebenserwartung,<br />

das soziale Umfeld oder Vertrauen in Regierung und staatliche<br />

Instanzen. Natürlich spielen auch die persönlich empfundene<br />

Freiheit, grundlegende Entscheidungen für das eigene<br />

Leben treffen zu können sowie negative Faktoren wie<br />

Sorgen, Trauer und Wut eine Rolle.<br />

Da ist es interessant, dass etwa zur gleichen Zeit eine<br />

Studie der internationalen Hilfsorganisation Oxfam veröffentlicht<br />

wurde, wonach den Reichen die halbe Welt<br />

gehört. Genauer: Die 62 reichsten Menschen der Erde<br />

besitzen genauso viel wie die gesamte ärmere Hälfte der<br />

Weltbevölkerung. Die soziale Ungleichheit nehme dramatisch<br />

zu. Zu den Ursachen gehören nach Meinung der<br />

Autoren eine völlig unzureichende Besteuerung großer<br />

Vermögen und Kapitalgewinne sowie die Verschiebung<br />

von Profiten in Steueroasen. „Das oberste Prozent der<br />

Weltbevölkerung verfügt über mehr Vermögen als der<br />

Rest der Welt zusammen“, heißt es bei Oxfam. Mit anderen<br />

Worten heißt das: Rund 70 Millionen Supereiche<br />

besitzen demnach mehr als die übrigen rund sieben Milliarden<br />

Menschen auf der Erde.<br />

Und trotzdem sind viele Menschen glücklich!? Wahrscheinlich<br />

ist es zu einfach die Volksweisheit „Geld macht<br />

nicht glücklich“ zu zitieren. Das Glück ist offensichtlich aber<br />

auch von vielen anderen Faktoren bestimmt. Aber trotzdem<br />

wird man sagen müssen, dass es gut wäre, wenn viele Menschen<br />

unserer Erde mehr besitzen würden, um zu leben – ja<br />

teilweise sogar um zu überleben.<br />

Insofern ist die Frage des Glücks auch eine Frage der<br />

Gerechtigkeit. <br />

<br />

2/<strong>2016</strong> durchblick 59

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