Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Johann Hübner,<br />
Raubritter von der Ginsburg?<br />
Johann Hübner, der Name ist untrennbar mit der Ginsburg<br />
verbunden. Auf einer zwischen Hilchenbach und Lützel<br />
gelegenen Bergkuppe wurde diese im 13. Jahrhundert<br />
von Heinrich dem Reichen, Graf v. Nassau, errichtet 1) . Sie<br />
diente dem Schutz der alten Handelsstraße, die von Siegen<br />
nach Marburg führte. Hat der trinkfreudige Raubritter dort<br />
tatsächlich gelebt?<br />
In den verschiedenen<br />
Sagensammlungen<br />
des Landes an<br />
der Sieg nimmt die<br />
Erzählung von ihm einen<br />
erheblichen Raum<br />
ein, wenngleich die<br />
Darstellungen in Einzelheiten<br />
voneinander<br />
abweichen. In der Autobiographie<br />
„Stillings<br />
Jugend“, in 1777 aufgezeichnet,<br />
befindet sich<br />
eine frühe Variante 2) ,<br />
der zunächst Aufmerksamkeit<br />
zukommt.<br />
„Erzähl mir noch<br />
einmal die Gesichte<br />
von Johann Hübner, der<br />
hier auf dem Schlosse gewohnt hat.“ Der Befragte, Johann<br />
Hellmann Jung, kommt der Bitte seiner jungen Frau Dorothea<br />
gerne nach und beginnt:<br />
„Auf diesem Schlosse haben von alters her Räuber gewohnt.<br />
Die gingen des nachts im Land umher und stahlen<br />
den Leuten das Vieh. Der letzte Räuber, der hier gewohnt<br />
hat, hieß Johann Hübner. Er hatte eiserne Kleider an und<br />
war stärker als alle Buschen im ganzen Lande. Er hatte nur<br />
ein Auge und einen großen krausen Bart.“<br />
Die jungen Eheleute haben wandernd die Kuppe des<br />
Ginsberges erreicht. Nicht viel ist von dem Glanz der nassauischen<br />
Grenzfeste geblieben, die auf der Gemarkung<br />
Grund als Bollwerk gegen das Herzogtum Westfalen und<br />
die Grafschaft Wittgenstein errichtet wurde. Auf dem Wallgraben,<br />
den wuchtigen Rest des Bergfrieds vor sich, lassen<br />
sie sich nieder, als der Jungvermählte seiner Frau die Sage<br />
von Johann Hübner erzählt. Groß sei die Not der Bauern<br />
aus den umliegenden Orten gewesen, denen der Raubritter<br />
mit seinen trinkfesten Gesellen das Vieh stahl. Kein<br />
Kaufmann habe im Nahbereich seiner Burg die Reise fortsetzen<br />
können. Ausgeplündert und geschlagen hätten sich<br />
die Geschädigten an den Fürsten Christian von Dillenburg<br />
gewandt und um Hilfe gebeten. Dieser habe in ritterlichem<br />
Zweikampf in der Nähe der Ginsburg Johann Hübner be-<br />
Historisches<br />
siegt und begraben. Dessen Anhänger hätten über seinem<br />
Grab eine Eiche gepflanzt.<br />
Der Erzählung von Jung-Stilling folgte zunächst die<br />
Märchensammlung der Brüder Wilhelm und Jakob Grimm,<br />
die in den Jahren 1812-1815 viele Geschichten aus Deutschland<br />
sammelten und in Buchform veröffentlichten. In deren<br />
Wiedergabe<br />
der Hübner-Sage<br />
findet sich eine<br />
starke Orientierung<br />
an der Schilderung<br />
von Jung-<br />
Stilling.<br />
Gerhard<br />
Schrey, bis 1941<br />
Lehrer in Hilchenbach,<br />
hat<br />
die Legende von<br />
Johann Hübner<br />
in die 1912 erschienenen<br />
„Siegerländer<br />
Sagen“<br />
3)<br />
aufgenommen .<br />
Unter dem glei-<br />
Auf den Resten eines vorgängerbaues wurde im 13. Jahrhundert die<br />
nassauische Burganlage „Ginsburg“ errichtet.<br />
chen Buchtitel<br />
veröffentlichte<br />
1967 Adolf Wurmbach, bis 1952 Hauptlehrer in Krombach,<br />
eine Sammlung von Begebenheiten, die sich so oder<br />
in ähnlicher Form im Siegerland zugetragen haben sollen 4) .<br />
Den Schluss bildet der Band von Bernhard Görnig, in<br />
der sich die Hübner-Sage als starke Anlehnung an den Jung-<br />
Stilling-Text findet 5) .<br />
Hat die Sage einen Wahrheitsgehalt? Das Geschlechtsregister<br />
der Grafen von Nassau-Dillenburg gewährt dazu einen<br />
Einblick. Fürst Christian von Nassau-Dillenburg wurde am<br />
11. August 1688 geboren und übernahm die Regentschaft<br />
über das Fürstentum Dillenburg nach dem Tode seines Bruders<br />
Wilhelm im Jahre 1724. Auf einem Jagdausflug erlitt er<br />
am 28. August 1739 einen Schlaganfall, an dessen Folgen<br />
er verstarb. Die Ritterzeit war in den Jahren seiner Regentschaft<br />
längst vorbei. Er kommt als Bezwinger von Johann<br />
Hübner nicht in Betracht. Wer verbirgt sich hinter dem in der<br />
Sage genannten Fürsten Christian ? In der „Nassauischen<br />
Chronik“ von 1617 wird aus früherer Zeit kein weiterer Fürst<br />
oder Graf Christian von Nassau erwähnt. Auch in der Linie<br />
der Grafen von Nassau-Siegen wird kein Graf oder Fürst<br />
Christian genannt 6) .<br />
Johann Hübner, der ständig „eiserne Kleider“ trug, muss<br />
einer wesentlich früheren Zeit angehört haben als dem 18.<br />
Jahrhundert. Als Jung-Stilling in seiner Autobiographie die<br />
40 durchblick 2/<strong>2016</strong><br />
Foto: fotolia.de