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2016-02

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Johann Hübner,<br />

Raubritter von der Ginsburg?<br />

Johann Hübner, der Name ist untrennbar mit der Ginsburg<br />

verbunden. Auf einer zwischen Hilchenbach und Lützel<br />

gelegenen Bergkuppe wurde diese im 13. Jahrhundert<br />

von Heinrich dem Reichen, Graf v. Nassau, errichtet 1) . Sie<br />

diente dem Schutz der alten Handelsstraße, die von Siegen<br />

nach Marburg führte. Hat der trinkfreudige Raubritter dort<br />

tatsächlich gelebt?<br />

In den verschiedenen<br />

Sagensammlungen<br />

des Landes an<br />

der Sieg nimmt die<br />

Erzählung von ihm einen<br />

erheblichen Raum<br />

ein, wenngleich die<br />

Darstellungen in Einzelheiten<br />

voneinander<br />

abweichen. In der Autobiographie<br />

„Stillings<br />

Jugend“, in 1777 aufgezeichnet,<br />

befindet sich<br />

eine frühe Variante 2) ,<br />

der zunächst Aufmerksamkeit<br />

zukommt.<br />

„Erzähl mir noch<br />

einmal die Gesichte<br />

von Johann Hübner, der<br />

hier auf dem Schlosse gewohnt hat.“ Der Befragte, Johann<br />

Hellmann Jung, kommt der Bitte seiner jungen Frau Dorothea<br />

gerne nach und beginnt:<br />

„Auf diesem Schlosse haben von alters her Räuber gewohnt.<br />

Die gingen des nachts im Land umher und stahlen<br />

den Leuten das Vieh. Der letzte Räuber, der hier gewohnt<br />

hat, hieß Johann Hübner. Er hatte eiserne Kleider an und<br />

war stärker als alle Buschen im ganzen Lande. Er hatte nur<br />

ein Auge und einen großen krausen Bart.“<br />

Die jungen Eheleute haben wandernd die Kuppe des<br />

Ginsberges erreicht. Nicht viel ist von dem Glanz der nassauischen<br />

Grenzfeste geblieben, die auf der Gemarkung<br />

Grund als Bollwerk gegen das Herzogtum Westfalen und<br />

die Grafschaft Wittgenstein errichtet wurde. Auf dem Wallgraben,<br />

den wuchtigen Rest des Bergfrieds vor sich, lassen<br />

sie sich nieder, als der Jungvermählte seiner Frau die Sage<br />

von Johann Hübner erzählt. Groß sei die Not der Bauern<br />

aus den umliegenden Orten gewesen, denen der Raubritter<br />

mit seinen trinkfesten Gesellen das Vieh stahl. Kein<br />

Kaufmann habe im Nahbereich seiner Burg die Reise fortsetzen<br />

können. Ausgeplündert und geschlagen hätten sich<br />

die Geschädigten an den Fürsten Christian von Dillenburg<br />

gewandt und um Hilfe gebeten. Dieser habe in ritterlichem<br />

Zweikampf in der Nähe der Ginsburg Johann Hübner be-<br />

Historisches<br />

siegt und begraben. Dessen Anhänger hätten über seinem<br />

Grab eine Eiche gepflanzt.<br />

Der Erzählung von Jung-Stilling folgte zunächst die<br />

Märchensammlung der Brüder Wilhelm und Jakob Grimm,<br />

die in den Jahren 1812-1815 viele Geschichten aus Deutschland<br />

sammelten und in Buchform veröffentlichten. In deren<br />

Wiedergabe<br />

der Hübner-Sage<br />

findet sich eine<br />

starke Orientierung<br />

an der Schilderung<br />

von Jung-<br />

Stilling.<br />

Gerhard<br />

Schrey, bis 1941<br />

Lehrer in Hilchenbach,<br />

hat<br />

die Legende von<br />

Johann Hübner<br />

in die 1912 erschienenen<br />

„Siegerländer<br />

Sagen“<br />

3)<br />

aufgenommen .<br />

Unter dem glei-<br />

Auf den Resten eines vorgängerbaues wurde im 13. Jahrhundert die<br />

nassauische Burganlage „Ginsburg“ errichtet.<br />

chen Buchtitel<br />

veröffentlichte<br />

1967 Adolf Wurmbach, bis 1952 Hauptlehrer in Krombach,<br />

eine Sammlung von Begebenheiten, die sich so oder<br />

in ähnlicher Form im Siegerland zugetragen haben sollen 4) .<br />

Den Schluss bildet der Band von Bernhard Görnig, in<br />

der sich die Hübner-Sage als starke Anlehnung an den Jung-<br />

Stilling-Text findet 5) .<br />

Hat die Sage einen Wahrheitsgehalt? Das Geschlechtsregister<br />

der Grafen von Nassau-Dillenburg gewährt dazu einen<br />

Einblick. Fürst Christian von Nassau-Dillenburg wurde am<br />

11. August 1688 geboren und übernahm die Regentschaft<br />

über das Fürstentum Dillenburg nach dem Tode seines Bruders<br />

Wilhelm im Jahre 1724. Auf einem Jagdausflug erlitt er<br />

am 28. August 1739 einen Schlaganfall, an dessen Folgen<br />

er verstarb. Die Ritterzeit war in den Jahren seiner Regentschaft<br />

längst vorbei. Er kommt als Bezwinger von Johann<br />

Hübner nicht in Betracht. Wer verbirgt sich hinter dem in der<br />

Sage genannten Fürsten Christian ? In der „Nassauischen<br />

Chronik“ von 1617 wird aus früherer Zeit kein weiterer Fürst<br />

oder Graf Christian von Nassau erwähnt. Auch in der Linie<br />

der Grafen von Nassau-Siegen wird kein Graf oder Fürst<br />

Christian genannt 6) .<br />

Johann Hübner, der ständig „eiserne Kleider“ trug, muss<br />

einer wesentlich früheren Zeit angehört haben als dem 18.<br />

Jahrhundert. Als Jung-Stilling in seiner Autobiographie die<br />

40 durchblick 2/<strong>2016</strong><br />

Foto: fotolia.de

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