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2014-04

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Unterhaltung<br />

mein Freund Fritz<br />

Eigentlich hatte er mich zu seinem<br />

Geburtstag am 24. Januar eingeladen,<br />

denn schließlich sind wir<br />

beide schon seit vielen Jahren alte Duzfreunde.<br />

Weil ihm aber voyage ne pose<br />

pas plus, das Reisen keine Freude mehr<br />

bereite und es in seinem Alter schon arg<br />

beschwerlich sei, beschlossen wir, uns irgendwann<br />

in einer wärmeren Jahreszeit<br />

zu treffen.<br />

Vor einigen Tagen nun endlich war es<br />

soweit. Wir trafen uns in Potsdam in seinem<br />

Domizil. In einem kleinen Stübchen<br />

seines großzügigen Ruhesitzes hatte er es<br />

zum Frühstück kommod eindecken lassen.<br />

So konnten wir ungestört sans souci,<br />

eben ohne Sorgen plaudern. Überwiegend<br />

parlierte er in der französischen Sprache.<br />

Mein alter Freund ist der Meinung, diese<br />

Konversation sei kultivierter als das<br />

Brandenburgische. Berlinern mag er gar<br />

nicht, „es wäre etwas sehr gewöhnlich,<br />

eher plebejisch, und erst die Sprache von<br />

heute mit Anglismen durchsetzt, ist ja<br />

rundweg zum Kotzen!“ Ja, das sagte er,<br />

nahm dabei seinen Stock zur Seite und ließ sich auf einem<br />

Stuhle nieder, aber ansonsten fühle er sich immer noch als<br />

ein recht guter Deutscher, zumal man doch maintenant die<br />

vielen schwarz-rot-goldenen Fahnen und Wimpel sähe. Eigentlich<br />

ist er, wenn auch von Adel und schon in die Jahre<br />

gekommen, ein richtiger Kumpel geworden. Ich sehe ihn jeden<br />

Tag „in Gips“ auf meiner Vitrine stehen. Seit ich denken<br />

kann, bemühe ich mich seine Tugenden ernst zu nehmen.<br />

Es bereitet mir Plaisier, zu lesen was über ihn geschrieben<br />

wurde. Ihm jetzt gegenüber zu sitzen, mit ihm über Sinn und<br />

Zweck des Lebens zu plaudern war schon une particulatirite<br />

(eine Besonderheit). In seiner Jugend gab es wenige Freuden.<br />

Er fand sie nicht frais, nicht cool.<br />

Oft lag er mit seinem herrschsüchtigen<br />

Vater im Clinch. Es galt<br />

dessen Marotten mit den langen<br />

Kerlen zu ertragen. Er wurde verdonnert<br />

Preußenkönig zu werden,<br />

ungefragt und das, obwohl er sich<br />

einen anderen Job erträumt hatte.<br />

Seine Passion galt der Kunst,<br />

dem Schönen. Ja, er fühlte sich<br />

damals schon als wahrer Musensohn<br />

und erhoffte sich vom Maitre<br />

Voltaire eine wahrhaftige Freundschaft.<br />

Eine freie Berufswahl gab<br />

Schloss Sanssouci in Potsdam<br />

es nicht, gehorchen stand als oberstes<br />

Gebot. „Und jetzt kann und darf sich<br />

jeder Narr über meine Herrschaft lustig<br />

machen“, erzürnte er sich, ächzte<br />

und schüttelte das mit dem Dreispitz<br />

bedeckte Haupt, „nicht nur das Es ist<br />

ja schon so weit, dass der erste Mann<br />

im Staate sich öffentlich entschuldigen<br />

muss, wenn er in einem fremden Bette<br />

geruht habe. Selbst wenn er sich von irgendjemand<br />

ein paar Euros pumpt, wird<br />

es sofort überall im Lande rumpalavert“.<br />

Er schien in Gedanken versunken und<br />

fragte weiter, „wie soll einer dann regieren,<br />

wenn einem das ganze Volk auf<br />

dem Kopfe herum tanzt. Man sieht es<br />

ja heute, was das alles für armselige<br />

Tröpfe sind, die ihre Meinungen in die<br />

Welt posaunen und sich als Wichtigtuer<br />

fühlen“. Nein, das konnte er sich nicht<br />

leisten. Zucht und Ordnung waren bei<br />

ihm angesagt. Und mit der Staatskasse<br />

rumplempern, Pfründe erkaufen, sich<br />

bereichern und für unsinnige Flug- und<br />

Protzbauten vergeuden, nein das hätte es<br />

bei ihm nicht gegeben. Für sie, und dabei denke er auch an so<br />

manchen Bänker und millionenschweren Emporkömmling,<br />

hätte er nicht mal eine Kugel übrig gehabt. Er hätte sie einfach<br />

in der Havel ersäuft. Er habe immer zeigen müssen wer<br />

Herr im Hause, sprich im Schlosse war. Es widerstrebte ihm<br />

allzu oft, aber schließlich seien die Menschen halt so! Sie testen<br />

immer wieder aus wie weit sie es treiben können. Er sei<br />

der erste Diener seines Volkes gewesen und dazu verpflichtet<br />

jedem Bürger, gleich welchen Standes, ein gutes Beispiel zu<br />

sein. „Mon Dieu, mon Dieu“ und er schüttelte sein greises<br />

Haupt als wir vom Parlament dieser Tage sprachen. Immer<br />

mehr dieser nutzlosen leeren Säle, und es stimme ihn schon<br />

sehr nachdenklich, dass dort einige<br />

Christen regieren, die selbst die<br />

zehn Gebote mit ihrem rechtstaatlichen<br />

System vor dem lieben Gott<br />

zu widerlegen versuchten.<br />

Es wurde zu Mittag aufgetragen.<br />

Es gab Kartoffeln mit Stippe<br />

und Zanderfilet. Die Kartoffeln<br />

waren öko, eigenhändig im Park<br />

angebaut. Der Fisch stammte aus<br />

einem märkischen See, ganz ohne<br />

Schadstoffe...! Ach nein, so etwas<br />

wie Urlaub, dem Müßiggang frönen,<br />

abhängen, wie es heute heißt,<br />

24 durchblick 4/<strong>2014</strong><br />

Foto: Wolfgang Neuser<br />

Foto: Wolfgang Deiß

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