2014-04
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Nachrichten aus Siegen und dem Kreis Siegen-Wittgenstein<br />
db 3-<strong>2014</strong> Kommentar. Was bitte hat<br />
Sie veranlasst, einen solchen Blödsinn zu<br />
schreiben? Sie sollten im Allgemeinen<br />
davon ausgehen, dass wir Rennradfahrer<br />
mit unseren Rädern sehr gut umgehen<br />
können, was schon an vielen tausend<br />
Trainingskilometern liegt, die wir fahren.<br />
Somit ist das Kritisieren von uns unter<br />
Ausschluss der „normalen“ Fahrradfahrer<br />
schon sehr seltsam zu betrachten. Die<br />
Unfall- und Fehlerhäufigkeit liegt deutlich<br />
stärker bei gelegentlich Rad fahrenden<br />
Rentnern und Kindern. Der ADFC<br />
versorgt Sie hier sicher gern mit Zahlen<br />
und Statistiken. Weiterhin sollten Sie sich<br />
jederzeit bewusst sein, dass Sie als Autofahrer<br />
durch Ihr Fahrzeug geschützt sind,<br />
egal ob Sie oder andere an einem Unfall<br />
Schuld haben. Radfahrer, egal ob Rentner<br />
mit Hollandrad oder Rennradfahrer<br />
sind ungeschützt und stellen immer den<br />
schwächeren Unfallgegner dar. Ein Fehler<br />
von Ihnen mit IhremAuto wird zudem<br />
immer schlimmere Folgen haben, als ein<br />
Radfahrer jemals verursachen könnte.<br />
Das sollte Ihnen bewusst sein. Ich zitiere<br />
nun aus Ihrem Kommentar: Vorschriftsmäßig<br />
setzte ich nach dem Blick<br />
in den Rücksiegel und über die Schulter<br />
den Blinker, um nach links abzubiegen.<br />
Und plötzlich waren sie da! Irgendetwas<br />
haben Sie hier falsch gemacht. Rennradfahrer<br />
erreichen Durchschnittsgeschwindigkeiten<br />
von ca. 30 km/h und können<br />
somit nicht „plötzlich“ da sein – außer,<br />
Sie haben es versäumt, den Verkehr im<br />
Rückspiegel wirklich im Auge zu behalten.<br />
Das wäre aber Ihre Pflicht! Fragen<br />
Sie sich doch bitte einmal, was passiert<br />
wäre, wenn ein Motorrad hinter Ihnen<br />
gewesen wäre. In dem Fall könnten Sie<br />
unter Umständen von „plötzlich“ reden,<br />
wegen der sicherlich höheren Geschwindigkeit<br />
des potentiellen Unfallgegners.<br />
Sie können froh sein, dass es im von<br />
Ihnen geschilderten Fall nicht zum Unfall<br />
kam, denn Sie hätten Schuld gehabt.<br />
Zum Glück reagierte mein Hirn sofort…<br />
Ihr Hirn sollte trotz Ihres anzunehmend<br />
höheren Alters jederzeit im Straßenverkehr<br />
reagieren! Nicht bloß „zum Glück“<br />
und in dieser einen Situation! Ansonsten<br />
wäre es fair, wenn Sie den Führerschein<br />
bei den zuständigen Behörden hinterlegen<br />
würden. Worauf einer der „Reiter<br />
(???) mir einen Stinkefinger zeigte. Das<br />
wundert mich bloß. Wäre ich Teil dieser<br />
Gruppe gewesen, hätte ich Sie zur Rede<br />
gestellt und hinterher angezeigt wegen<br />
Ihres offensichtlich spontanen Abbiegens<br />
mit viel zu hoher Geschwindigkeit.<br />
Es waren ja anscheinend genügend Zeugen<br />
vor Ort, die Ihr Fehlverhalten bestätigt<br />
hätten und wir beide hätten uns vor<br />
dem Richter wiedergesehen. Kurzzeitig<br />
beschloss ich, das nächste Mal einfach<br />
weiterzufahren! Ab jetzt fühle ich mich<br />
leider von Ihnen bedroht und zweifle offen<br />
an, ob Sie geeignet sind, überhaupt<br />
am Straßenverkehr teilzunehmen. Sie<br />
erwägen, mit einem PKW eine Gruppe<br />
Radfahrer zu rammen, weil diese Sie<br />
angeblich „plötzlich“ überholen? Und<br />
haben den Mut, diesen wahnsinnigen<br />
Gedankengang in einem Magazin zu<br />
veröffentlichen? Als ich diese Zeilen las<br />
stand fest, dass sich mein Anwalt mit Ihrem<br />
Kommentar beschäftigen wird. Es<br />
ist unverantwortlich, solche Kommentare<br />
zu veröffentlichen und in Kauf zu<br />
nehmen, dass andere Leser Ihr Verhalten<br />
für gut befinden und ebenso abstumpfen<br />
wie Sie. Auch Ihr Magazin bildet Meinungen<br />
bei der Leserschaft und sollte<br />
dementsprechend abwägen, ob und was<br />
veröffentlicht wird. Sie alle sollten beim<br />
nächsten Zusammentreffen mit Radfahrern,<br />
egal ob Rennrad, Hollandrad, Dreirad,<br />
was auch immer, kurz reflektieren,<br />
dass dieser Radfahrer Ihr Kind oder Ihr<br />
Enkel sein könnte. Vielleicht sensibilisiert<br />
dieser Gedanke und Sie überdenken<br />
Ihr angedrohtes Amokfahren. Es<br />
gibt sicher angenehmere Vorstellungen,<br />
als blutüberströmte Verwandtschaft.<br />
Ich sende Ihren Kommentar nun an die<br />
Fachpresse für Radfahrer, dort werden<br />
solche Auswüchse gerne veröffentlicht.<br />
Ihre Fangemeinde wird dadurch sicher<br />
wachsen. Die Reaktion meines Anwalts<br />
bzw. der Staatsanwaltschaft folgt, die<br />
Drohung einfach weiterzufahren nehme<br />
ich sehr ernst.<br />
Christopher Bender per e-Mail<br />
db 3-<strong>2014</strong> Kommentar Was war passiert?<br />
– Die Autorin des Artikels schaut<br />
vor dem Linksabbiegen in den Rückspiegel<br />
ihres Autos, lenkt dann nach<br />
links, doch „plötzlich waren sie da“, die<br />
Rennradfahrer! Nehmen wir also mal<br />
an, die Sicht nach hinten reichte nur<br />
100m weit und die Rennradfahrer fuhren<br />
ein flottes Tempo (z.B. 36 km/h), dann<br />
benötigten sie für die Strecke bis zum<br />
Auto wenigstens 10 Sekunden, in denen<br />
man auch ohne Eile eine z.B. 10 m breite<br />
Straße zu Fuß überqueren könnte.<br />
Da ergeben sich nun ein paar Fragen, was<br />
sich in dieser Zeitspanne genau abgespielt<br />
hat: Warum braucht ein Auto zum<br />
Linksabbiegen länger als ein langsamer<br />
Fußgänger zum Überqueren der Straße,<br />
und warum war die Fahrerin auch nach<br />
10 Sekunden noch nicht einmal losgefahren<br />
? Oder: fuhren die Rennradler<br />
viel schneller als Jan Ullrich bei einer<br />
Bergabfahrt, um so „plötzlich“ neben<br />
dem Auto aufzutauchen? Und: wieso<br />
gingen die Rennradfahrer ein hohes Risiko<br />
ein, ein abbiegendes Fahrzeug links<br />
zu überholen? Oder: waren sie vielleicht<br />
schon vorher da und der Rückspiegel<br />
war nur beschlagen? Wir werden die<br />
wahren Umstände nicht mehr erfahren.<br />
Was wir aber erfahren haben, ist, dass<br />
die Autorin weder auf „Rennmaschinen“<br />
noch auf „muskulöse strampelnde<br />
Männerbeine“ gut zu sprechen ist, und<br />
Rennradgruppen („Herden“, „Trupps“)<br />
als ernste Bedrohung („Rette sich wer<br />
kann“) erlebt. Ich dachte immer, Radfahrer<br />
zählen zu den sog. „schwächeren“<br />
Verkehrsteilnehmern!? Nun ja, es<br />
passiert offenbar jedem/r mal, dass man<br />
hinterm Steuer oder auch am Lenker<br />
mal Dampf ablässt („Ihr spinnt wohl“,<br />
„Stinkefinger)“, denn brenzlige Situationen<br />
gibt es öfter mal und Schuld sind<br />
natürlich immer die anderen. Der Anteil<br />
von Konflikten mit Rennradgruppen<br />
wird allerdings äußerst gering bleiben<br />
im Vergleich zu denen mit anderen Verkehrsteilnehmern.<br />
Deshalb warten wir<br />
nun doch gespannt auf die Fortsetzung<br />
dieser Reihe mit dem nächsten Kommentar<br />
– wie wär’s mit „Immer diese<br />
Autofahrer“? Vermutlich werden wir<br />
darauf aber lange warten müssen, oder<br />
es gäbe danach einen gewaltigen „Shitstorm“.<br />
Wenn Sie sich also mal wieder<br />
richtig aufregen wollen, dann bleiben<br />
Sie besser weiterhin bei dem Motto<br />
„Immer auf die Radfahrer!“. Die sind<br />
es nicht anders gewohnt, und auch die<br />
Rennradfahrer – pardon: „unnormalen“<br />
„auf der Straße einfach überflüssigen“<br />
„Möchte-gern-JanUllrichs“ – werden es<br />
überstehen, von manchen Kommentator<br />
Innen nicht gemocht zu werden.<br />
Ingo Müller-Kurz, Siegen<br />
PS. Ich fahre Auto, „normales“ Fahrrad<br />
und Rennrad in der Seniorenklasse.<br />
4/<strong>2014</strong> durchblick 79