2014-04
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Der Kommentar<br />
Durch die in den vergangenen Wochen bekannt<br />
gewordenen Ereignisse von Gewalt im Flüchtlingsheim<br />
Burbach auf der Lipper Höhe hat die<br />
Gemeinde und damit auch das Siegerland in den letzten<br />
Wochen eine traurige Berühmtheit erlangt. Tagelang gingen<br />
Bilder durch die Medien, die an ähnliche Aufnahmen aus<br />
dem berüchtigten Gefangenenlager der U.S.A.in Guantanamo<br />
erinnerten. Und das hier? Das bei uns im Siegerland?<br />
Unfassbar! Was ist da passiert?<br />
Auf der Welt herrscht Krieg. Noch in scheinbar sicherer<br />
Entfernung, aber schon wesentlich näher als der Krieg in<br />
Afghanistan. Noch sind wir nicht direkt betroffen. Doch<br />
wir diskutieren schon heftig die eventuelle militärische<br />
Hilfe, die unsere Regierung den betroffenen Ländern bzw.<br />
Gruppierungen zögerlich anbietet. Die Bilder der Zerstörung<br />
und der Flucht tausender Menschen, die Berichte und<br />
Kommentare erreichen uns im bequemen Fernsehsessel<br />
oder im Hörfunk auf der Fahrt im Auto, in den Zeitungen,<br />
wie und wo auch immer. Es erschüttert uns, aber. – Gott<br />
sei Dank – das Elend betrifft uns ja nicht persönlich. Es ist<br />
wie ein „böser Film“ aus einer fremden Welt, fast surreal.<br />
Doch auf einmal sind sie da, in unserem Land, in unserer<br />
Stadt, in unserer Nachbarschaft, die Menschen auf der<br />
Flucht vor Tod und Vernichtung, vor Hunger und Armut,<br />
mit nichts, außer ihrer Hoffnung auf ein sicheres Leben, bei<br />
uns. Und sie kommen in großer Zahl. Was tun? In aller Eile<br />
müssen sie untergebracht werden. Wie und wo, das bleibt<br />
den Kommunen überlassen, die oft hilflos überfordert sind.<br />
Und es muss schnell gehen, die Menschen sind hier, jetzt. Da<br />
scheint es durchaus verständlich, wenn betroffene Behörden<br />
diese immense Aufgabe an scheinbar kompetente Anbieter<br />
und angebliche Profis abgeben. Sicher spielt dabei auch die<br />
Kostenfrage eine Rolle.<br />
Was dann passieren<br />
kann, ist am Beispiel<br />
Burbach inzwischen<br />
hinreichend bekannt.<br />
Gut, dass es bekannt<br />
geworden ist.<br />
Was in Burbach geschehen<br />
ist, lässt sich<br />
leicht nachvollziehen.<br />
In unserer profitorientierten<br />
Gesellschaft<br />
finden sich schnell geschäftstüchtige<br />
Leute,<br />
die aus einem soeben<br />
erkannten Bedarf ein Heute von Anne Alhäuser<br />
profitables Geschäft<br />
machen. Das ist an sich nicht verwerflich, wenn die Regeln<br />
beachtet werden. Sobald aber die Gewinnmaximierung an<br />
oberster Stelle steht, geht das zwangsläufig auf Kosten von<br />
Menschen, die sich nicht wehren können. Offensichtlich<br />
müssen die Regeln für den Umgang mit so vielen Flüchtlingen,<br />
die aus so unterschiedlichen Situationen und Kulturen<br />
kommen und sicher noch kommen werden, erst noch<br />
formuliert werden. Dazu hat Burbach den entscheidenden<br />
Anstoß gegeben.<br />
Das allgemeine Erschrecken über die Ereignisse wirkt<br />
allerdings scheinheilig, wenn wir als Gesellschaft mit unseren<br />
Möglichkeiten jetzt nicht bereit sind, den Flüchtlingen<br />
angemessen zu helfen. Die Welt der Flüchtlinge ist aus den<br />
Fugen geraten. Es ist auch unsere Welt. !<br />
Gesellschaft<br />
Was Bedeutet „heimat“?<br />
Heimat ist die vertraute Umgebung, in der man sein<br />
Alltagsleben verbringt, der Ort, an dem man geboren<br />
ist, wo Eltern, Großeltern und Urgroßeltern<br />
leben, wo Tanten, Onkel, Neffen und Nichten ihr Leben<br />
verbringen und wo die Gräber der Vorfahren sind. Heimat<br />
ist auch die Landschaft, in der man spielt, wo man zur Schule<br />
geht, seine Berufsausbildung erhält und später seinen<br />
Beruf ausübt. Heimat sind Straßen, Plätze und Gebäude,<br />
in denen man sich bewegt, z.B. Gaststätten, Cafés und Geschäfte<br />
wie auch Kaufhäuser, die einem vertraut sind. Vor<br />
allen Dingen aber ist Heimat die vertraute Sprache oder<br />
Mundart. Heimat bedeutet Sicherheit und Geborgenheit<br />
und „Wurzeln“. Heimat ist das Paradies, in das man am<br />
liebsten niemanden hereinlassen möchte. Und doch ist es<br />
notwendig, auch mal Menschen mit einer anderen Mundart<br />
oder sogar einer anderen Sprache und Kultur hereinzulassen,<br />
die ihre Spuren hinterlassen und damit die alte Heimat<br />
bereichern, damit sie letztendlich auch zur Heimat für die<br />
neu Hinzugekommenen wird. Auch im „Paradies“ sollte<br />
keine Stagnation stattfinden. Frisches Blut muss einfließen<br />
und auch ein frischer Wind den alten Mief vertreiben.<br />
Nach dem Krieg kamen viele verschiedene Menschen ins<br />
Siegerland, meistens aus dem Osten. Da waren die Vertriebenen<br />
aus Schlesien, die Flüchtlinge aus Ostpreußen, Westpreußen,<br />
Pommern, auch aus Böhmen, dem Sudetenland und<br />
Siebenbürgen. Später kamen noch die Italiener, Spanier, Portugiesen,<br />
Türken und viele andere Nationalitäten dazu.<br />
Alle haben hier ihre Spuren hinterlassen und das Siegerland<br />
ganz entscheidend bereichert, nicht nur in kulinarischer<br />
Hinsicht.<br />
Else von Schmidtsdorf<br />
44 durchblick 4/<strong>2014</strong>