2014-04
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die signatur der Freiheit (?) *<br />
Gedanken und<br />
ethische Fragen über den Suizid<br />
Foto: Wilfried Deiß<br />
Vorab bemerkt<br />
Immer dann, wenn ich höre oder lese, dass ein Mensch<br />
seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hat, frage ich mich<br />
– wie sicherlich die meisten von uns – warum? Wie verzweifelt,<br />
wie einsam und hoffnungslos, wie krank und verletzt<br />
muss die Seele eines Menschen sein, dass er das Kostbarste<br />
das er besitzt, sein eigenes Leben, unwiederbringlich<br />
selbst zerstört? Wie aussichtslos, unerträglich und sinnlos<br />
muss ihm sein Leben erscheinen, dass er Hand an sich selbst<br />
legt, weil er die Bürde, die das Leben auf seine Schultern<br />
geladen hat, nicht mehr tragen kann und er die Freude am<br />
eigenen Leben in seinem Herzen verloren hat. Ich denke, es<br />
steht grundsätzlich keinem Menschen das Recht zu, über die<br />
„letzte Tat an sich selbst“ eines Menschen, der sich in einer<br />
für ihn ausweglosen Lebenssituation befindet, zu urteilen,<br />
geschweige denn, sie zu verurteilen, und wir sollten mit Bedacht<br />
bei der Wortwahl sein, die wir für diese Tat verwenden.<br />
Sie könnte verräterisch sein, lässt sie doch vielfach erkennen,<br />
welch ethische Einstellung man vertritt. Da stehen sich zwei<br />
Positionen unversöhnlich gegenüber. Hat der Mensch das<br />
Recht und besitzt er die Freiheit, über sein Leben und seinen<br />
Tod selbst zu verfügen, oder darf er, da er sich sein Leben<br />
nicht selbst gegeben hat, sondern von Gott geschenkt wurde,<br />
auch nicht selbst nehmen? Man hat auf seinem Posten auszuharren<br />
… bis zur bitteren Neige. Ist es eine verwerfliche Tat,<br />
sich selbst den Tod zu geben, oder ist sie die höchste Form<br />
der Freiheit: die Signatur der Freiheit?<br />
Diese Polarität findet ihren sprachlichen Ausdruck schon<br />
in der Wortwahl. In der Alltagssprache wird meist (leichtfertig)<br />
der Begriff „Selbstmord“ verwendet, ein Wort, das<br />
etwas verbrecherisch-kriminalisierendes und auch stigmatisierendes<br />
an sich hat, besagt es doch, dass es sich bei der Tat<br />
um Mord handelt, um den vorbedachten Mord an der eigenen<br />
Person. Aber der Begriff „Selbstmord“ ist aus juristischer<br />
Sicht inkorrekt, da die zum eigenen Tod führende Tat nicht<br />
den heutigen juristischen Kriterien eines Mordes erfüllt. 2)<br />
Dem gegenüber steht der Begriff „Freitod“ von Friedrich<br />
Nietzsche (Also sprach Zarathustra) 2) , der wiederum heroisierend<br />
gedeutet werden kann. Der Begriff „Selbsttötung“,<br />
der auch verwendet wird, ist dagegen etwas neutraler. In den<br />
modernen Wissenschaften wird überwiegend der lateinisch<br />
Begriff „Suizid“ (Suizidant) verwendet. Auch ich werde<br />
nachstehend weitestgehend diesen Begriff benutzen.<br />
Der Suizid ist ein komplexes Thema und wird, wie uns<br />
ein Blick in die einschlägige Fachliteratur zeigt, aus ganz<br />
unterschiedlichen Sichtweisen heraus betrachtet und bewertet.<br />
Auch die Herangehensweise und Auseinandersetzung ist<br />
vielfältig und findet ihre Form und ihren Inhalt durch das jeweilige<br />
Wissenschaftsgebiet, aus dem heraus der Suizid thematisiert<br />
wird. Typische Fachgebiete dafür sind: Psychiatrie,<br />
Psychologie, Soziologie, Philosophie, Theologie, Literatur<br />
(Romane) und Rechtswissenschaften. Unter der Prämisse<br />
dieser verschiedenen Sichtweisen ist auch dieser Beitrag zu<br />
sehen. So geht es mir bei meinen nachstehenden Gedanken<br />
nicht um die Psychologie des Suizid, also die seelischen Ursachen<br />
und vielfältigen psychischen Erkrankungen (Depressionen),<br />
auch nicht um die Soziologie, die sozialen Gegebenheiten<br />
(Lebenskrisen, Umfeld etc.), auslösende Faktoren<br />
also, die bei dem Entschluss, Suizid zu begehen, eine Rolle<br />
spielen, es geht mir auch nicht um die oft schwerwiegenden<br />
seelischen Folgen eines Suizids bei den Angehörigen, nein,<br />
64 durchblick 4/<strong>2014</strong>