2014-04
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Im Siegerland ist jedem der Name Wittgenstein ein<br />
Begriff. In Wien lebte der österreichische Philosoph<br />
Ludwig Wittgenstein. Er entstammt der Industriellenfamilie<br />
Wittgenstein, deren Wurzeln in Bad Laasphe liegen. In Cambridge<br />
hatte er den Lehrstuhl für Philosophie inne, nachdem<br />
er sich 1921 mit seinem „Tractatus Logico-Philosophicus“<br />
schnell in Fachkreisen einen Namen gemacht hatte. Bekannt<br />
wurde er aber auch mit dem Bau des Stadthauses „Haus<br />
Wittgenstein“ um 1925 in Wien, das er gemeinsam mit dem<br />
Architekten Paul Engelmann entwarf. Detailliert designte<br />
der Philosoph Fenster, Türen, Riegel oder Heizkörper. Der<br />
Skandal schlechthin aber war die nackte Glühbirne, die statt<br />
eines Leuchters mitten im Raum hing. Dieses weiße, kubisch<br />
anmutende Gebäude gehört mit zu den wegweisenden Werken<br />
der Wiener Architektur der Moderne. Es erinnert äußerlich<br />
stark an die Architektur des Bauhauses. Heute ist hier<br />
das bulgarische Kulturinstitut untergebracht.<br />
Ein besonderes Highlight war es, zu erleben, wie an einem<br />
lauen Septemberabend vor der Wiener Oper auf einem riesigen<br />
Bildschirm live die Aufführung von der Bühne nach<br />
draußen übertragen wurde. Staatsoper als Public Viewing für<br />
alle. Es wurde „La Fanciulla del West“ von Puccini gegeben.<br />
Anna Netrebko grüßte via Bildschirm das verehrte Publikum<br />
draußen. Sie sang aber – leider – nicht mit. Im Bergwerk und<br />
im Blaumann hätte man sie aber auch nicht erwartet. Manchmal<br />
geht es eben auch ohne Mozart und Pomp.<br />
Der Wiener Opernball entwickelte sich vom elitären Event<br />
auf höchstem Niveau im Laufe der Jahre zum Treffpunkt der<br />
B-Promis und skurrilen, mediengeilen Gestalten. Inzwischen<br />
kommen auch die Debütanten und Debütantinnen aus aller<br />
Welt. Nicht die Jungen aus adligen Familien und der Unternehmernachwuchs<br />
aus Österreich werden der Gesellschaft<br />
beim Walzer vorgestellt, das globale Geld regiert die Welt.<br />
Der Adel wurde angeblich mit Ende des Ersten Weltkriegs<br />
in Österreich abgeschafft – zumindest das „von“ im Namen<br />
verschwand.<br />
Ob Kaiserzeit, Gründerzeit-Pomp, Jugendstil oder Moderne,<br />
die Millionenstadt Wien ist und bleibt ein Schaufenster<br />
zwischen Tradition und Moderne, eine Melange der Ideen und<br />
Völker. So bestelle ich auch im Kaffeehaus beim Herrn Ober<br />
eine Melange, den beliebtesten Kaffee der Stadt.<br />
Tessie Reeh<br />
Foto:Hartmut Reeh<br />
36 durchblick 4/<strong>2014</strong>