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Rechtsgutachten - MBWSV NRW

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lich vorgegebenen Ausgangstatbestände in gleicher Weise interpretieren, ihnen<br />

gemeinsam dieselben Indikatoren zugrunde legen und damit einen Vergleich der<br />

Deckungsbedürfnisse ermöglichen ... In dem Erfordernis eines auf Planung aufbauenden<br />

Gesetzes ... ist die Bildung langfristiger Maßstäbe angelegt, die dem Gesetz<br />

wieder seine herkömmliche Funktion zuweisen: Das Gesetz gestaltet in seiner<br />

formellen Allgemeinheit rational-planmäßig die Zukunft, setzt eine gewisse<br />

Dauerhaftigkeit als Regel voraus, erstreckt ihre Anwendung auf eine unbestimmte<br />

Vielzahl zukünftiger Fälle, wahrt damit Distanz zu den Betroffenen, wendet die<br />

Aufmerksamkeit des regelnden Organs dem auch für die Zukunft verpflichtetenden<br />

Maßstab zu und verwirklicht die Erstzuständigkeit des Gesetzgebers bei der<br />

Verfassungsinterpretation.“ 55<br />

Diese Pflicht zur Maßstabsbildung wird zugleich eingesetzt, um die Gesetzgebung der<br />

„Mehrheitsfalle“ zu entziehen, d.h. dem Problem, dass eine Mehrheit von Ländern – im<br />

Finanzausgleich typischerweise die Empfängerländer – Bund und Geberländer erpres-<br />

sen können, indem sie ihre im Bundesrat notwendige Zustimmung verweigern:<br />

„Andererseits rechtfertigt auch die bloße parlamentarische Mehrheit noch nicht<br />

den beschlossenen Finanzausgleich. Der Gesetzgeber hat gegenläufige Interessen<br />

festzustellen, zu bewerten und auszugleichen. Er darf aber nicht allein in der Rechtfertigung<br />

eines Mehrheitswillens zu Lasten einer Minderheit auf fremde Haushalte<br />

zugreifen oder Ausgleichsansprüche vereiteln. Damit begegnet eine Gesetzgebungspraxis,<br />

die das Finanzausgleichsgesetz faktisch in die Verantwortlichkeit des Bundesrates<br />

verschiebt, verfassungsrechtlichen Einwänden.“ 56<br />

Das ist exakt die diesem Gutachten zugrundeliegende Situation. Der Bund darf sich nicht<br />

zurückziehen und die Aushandlungsprozesse allein den Ländern überlassen. Der Bund<br />

hat als „gerechter Schiedsrichter“ sicherzustellen, dass nicht eine Ländermehrheit das<br />

Gesetzgebungsverfahren dominiert. Die „Lösung“ des Zweiten Senats des Bundesverfas-<br />

sungsgerichts besteht darin, durch die Entwicklung von Verteilungsmaßstäben auch<br />

prozedural auf das Gesetzgebungsverfahren einzuwirken: „Rationalisierung durch Pro-<br />

zeduralisierung“ 57 . Hier müsste der Bund auch konkrete Vorschläge im Sinne dieser<br />

Rechtsprechung machen, wenn die Kommunikation zwischen den Ländern in ein reines<br />

„Zahlengeschachere“ ausartete. Mit anderen Worten: Die finanzausgleichsrechtliche<br />

Rechtsprechung aus Karlsruhe gibt dem Bund von Verfassungs wegen die Pflicht zur<br />

aktiven Betreibung des Gesetzgebungsverfahrens in Ausfüllung des Verfassungsauftrags<br />

aus Art. 106a GG auf. In der Sache kann dies nur bedeuten, dass dem Bund auch die<br />

55 BVerfGE 101, 158 (217 f.).<br />

56 BVerfGE 101, 158 (219) – Hervorhebung nur hier.<br />

57 Gunnar Folke Schuppert, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch,<br />

Bd. 2, 2002, Art. 107 Rdnr. 46.

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