Rechtsgutachten - MBWSV NRW
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spielraum besitzt.“ 62 Wenig später wird dann noch von einer „bedarfsorientierten Mit-<br />
telverteilung“ gesprochen 63. Am ausführlichsten hat sich wiederum Jürgen W. Hidien in<br />
seinen beiden einschlägigen Aufsätzen mit dem Problem befasst. Seine Gedanken seien<br />
daher hier wörtlich wiedergegeben:<br />
„Daß beide zentralen Kriterien [die Höhe und die Verteilung; C.W.] nicht schon<br />
grundgesetzlich fixiert sind, trägt zur Entlastung des ohnehin überperfektionierten<br />
grundgesetzlichen Finanzrechts bei, kann freilich neue Verteilungskonflikte<br />
provozieren. Der karge Verfassungstext darf andererseits nicht zu dem Schluß<br />
verleiten, den Gesetzgeber von jeglichen rahmenschonenden Vorgaben freizustellen.<br />
Der Betragsbegriff und der immanente Verteilungsbegriff sind unbestimmte<br />
Verfassungsbegriffe, deren Konkretisierung (‚Bestimmung’) regelmäßig an den<br />
einfachen Gesetzgeber delegiert ist. ... Die Frage nach den verfassungszulässigen<br />
oder -gebotenen Verteilungsmaßstäben kann lediglich zu allgemeinen Verteilungsrichtlinien<br />
führen. Gelegentlich ist bezweifelt worden, ob überhaupt eine<br />
gerechte, schlüsselmäßige Verteilung einer Finanzierung des Personennahverkehrs<br />
möglich sei. Der Einwand verfolgt eher rechtspolitische Intentionen und<br />
betrifft zudem die inhomogenen infrastrukturellen Bedingungen, welche primär<br />
gezielte Einzelmaßnahmen notwendig machen, um materielle Vergleichbarkeit<br />
erst herzustellen. Andererseits besitzt die Empfehlung der gesetzgebenden Körperschaften,<br />
wonach die Finanzmittel sach- und aufgabengerecht auf die Länder<br />
zu verteilen sind, eher Floskelcharakter. Die Sachgerechtigkeit appelliert an die<br />
differenzierungsfähige gleichmäßige Verteilung, die Aufgabengerechtigkeit verweist<br />
auf die individuelle Mittelzuwendung und -zweckbindung. Beide Kriterien<br />
sind notwendig, wenn auch wegen ihrer Konkretisierungsbedürftigkeit nicht hinreichend.<br />
Der dahinterstehende, auch hier wirksame föderative Grundsatz der<br />
Finanzgleichheit bindet den Bund bei seiner Verteilungsaufgabe und verpflichtet<br />
ihn, alle Länder formal gleich zu behandeln und nicht aus politischen oder sachfremden<br />
Erwägungen zu diskriminieren. Angesichts des verfassungskräftigen<br />
Zuweisungsanspruchs werden sich – vorerst – keine Sachgründe finden lassen,<br />
einzelne Länder aus der Betragsverteilung auszunehmen. Materielle Differenzierungen<br />
sind schon deshalb möglich und teilweise nötig, weil Qualität und Quantität<br />
der fortzuführenden ‚erforderlichen’ Verkehrsleistung regional variieren; die<br />
Stichtagsregelung des Aufgabenübergangs macht es außerdem erforderlich, jedenfalls<br />
möglich, an Verteilungsmodi bestehender, tradierter Kosten- und Ertragsstrukturen<br />
anzuknüpfen. Diese dürften allerdings nicht auf ewig versteinert<br />
werden. Die Verteilung und die Verteilungsmaßstäbe, die auf verkehrswirtschaftlichen<br />
Daten basieren, sind ohnehin von Zeit zu Zeit zu überprüfen. Der Gleichheitssatz<br />
gestattet auch die Herstellung gleicher Startbedingungen und die Befriedigung<br />
eines einigungsbedingten Nachholbedarfs während der fortbestehenden<br />
Anpassungsphase. Für die anteilsmäßige Bemessung einer festzusetzenden<br />
bestimmten Finanzierung eines Verkehrsleistungsniveaus im SPNV und generell<br />
im ÖPNV muß der Gesetzgeber im übrigen zuverlässige und verläßliche objektive<br />
Indikatoren zugrunde legen; diese Anforderungen teilte das gesamte Finanzrecht.<br />
Abstrakte Verteilungsschlüssel sind jedenfalls insofern statthaft als eine Vertei-<br />
62 In: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 106a Rdnr. 6.<br />
63 Ebd., Rdnr. 7.