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Rechtsgutachten - MBWSV NRW

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griffs der Daseinsvorsorge wurde allerdings auch dem Philosophen Karl Jaspers zuge-<br />

schrieben, der in seiner Schrift „Die geistige Situation der Zeit“ von 1931, „die Massen-<br />

ordnung in Daseinsfürsorge“ thematisierte 144. Dass Forsthoff den Begriff von Jaspers ein-<br />

fach übernommen haben könnte, wird freilich bezweifelt 145 . Schon die Urheberschaft<br />

zweier so völlig verschiedener Protagonisten wie Jaspers und Forsthoff zeigt, dass mit<br />

dem Begriff trotz des zeitlichen Umfelds nicht etwa nationalsozialistisches Gedankengut<br />

transportiert wurde. Das Modell der Daseinsvorsorge in den 1930er Jahren fußte so-<br />

wohl bei Forsthoff als auch bei Jaspers auf dem Gedanken, dass für den Menschen zur<br />

damaligen Zeit, in der „die Folgen der industriellen Revolution für die Autonomie des<br />

Individuums“ 146 besonders spürbar waren, der beherrschbare Raum (Hof, Acker, Haus)<br />

geschwunden, der zugängliche Raum jedoch – insbesondere infolge des Ausbaus des<br />

Verkehrswesens – gewachsen war; dies hatte eine zunehmende Unsicherheit des<br />

menschlichen Daseins zur Folge 147 . Mit der Verringerung des beherrschbaren Raumes<br />

hatte der Einzelne die Vorsorge für die Befriedigung der Lebensbedürfnisse aus der<br />

Hand gegeben, die Macht der modernen Verwaltung wurde dadurch erhöht. Hierdurch<br />

war eine Lage entstanden, in welcher die „Lebensgüter nicht durch die Nutzung einer<br />

eigenen Sache, sondern im Wege der Appropriation“ zugänglich gemacht werden muss-<br />

ten 148 . Diejenigen Veranstaltungen zur Befriedigung dieser Appropriation bezeichnete<br />

Forsthoff als Daseinsvorsorge 149 .<br />

wendige Leistungen und Güter im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich, vgl. Hartmut Maurer,<br />

Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 1, Rdnr. 16a.<br />

144 Vgl. Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003,<br />

S. 61, Fn. 38; Matthias Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004, S. 25 f.<br />

145 Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S.<br />

61; vielmehr dürften ihn die philosophischen Vorarbeiten dieser Zeit „bei der analytischen Verarbeitung<br />

und Erklärung des empirischen Befundes“ gestützt haben, die dann in die Entwicklung des Konzepts der<br />

Daseinsvorsorge mündete, vgl. Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, S. 96; eingehend<br />

zu den theoretischen Vorarbeiten Matthias Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge,<br />

2004, S. 22 ff.<br />

146 Jens Kersten, Die Entwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der<br />

Staat 44 (2005), 543, 544.<br />

147 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 25 f.; vgl. auch Michael Ronellenfitsch,<br />

Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 58; Jens Kersten, Die Entwicklung<br />

des Konzepts der Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat 44 (2005), 543 (552).<br />

148 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 26; vgl. a. Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge<br />

als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 59.<br />

149 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 26; dieses Konzept mit seiner Idee<br />

der öffentlich-rechtlichen Bindung der leistenden Verwaltung, die vom Führerprinzip und vom Machtanspruch<br />

der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei getrennt bleiben sollte, passte nicht ins damalige<br />

nationalsozialistische Weltbild, was Forsthoff auch den Gegenwind der Partei einbrachte und dafür<br />

sorgte, dass der Ausdruck „Daseinsvorsorge“ nur mit Verzögerung Eingang in den juristischen Sprachgebrauch<br />

fand, vgl. Michael Ronellenfitsch , Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst<br />

Forsthoff, 2003, S. 62 f.; die Lehre an der Universität Wien wurde ihm 1942 z.B. von den Nationalsozialisten<br />

untersagt, s. Jens Kersten, Die Entwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge im Werk von Ernst

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