Rechtsgutachten - MBWSV NRW
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„Staatsdistanz“ des Eisenbahnwesens unter Wechsel der dominierenden Entscheidungs-<br />
rationalität durchgesetzt. Nicht mehr die Verwaltungslogik, sondern ökonomische Krite-<br />
rien sollten das Eisenbahnwesen bestimmen. Dies wurde von Anfang an in der Um-<br />
schreibung der „Zielsetzung“ der Bahnreform des Gesetzentwurfs der Bundesregierung<br />
ausdrücklich ausgesagt: Bei der Bahnreform sollten<br />
- die Führung der bisherigen Bundeseisenbahnen als Wirtschaftsunternehmen in<br />
privat-rechtlicher Form,<br />
- die Übertragung der Aufgaben- und Finanzverantwortung für den Schienenper-<br />
sonennahverkehr der bisherigen Bundeseisenbahnen auf die Länder ...“ 3<br />
verwirklicht werden. Privatrechtliche Organisationsformen mit ihrer kaufmännischen<br />
Wirtschaftsführung dienten der Erreichung und Sicherung dieser Ziele: „Die Rationalität<br />
der Unternehmensziele wird durch die Entscheidungsstruktur der Unternehmensform<br />
abgestützt.“ 4 Kernstück der Bahnreform war mithin eine Organisationsprivatisierung 5 .<br />
Damit kann ein vergleichsweise klares Programm aus dem Kernelement der Bahnver-<br />
fassungsreform, Art. 87e GG, herausgelesen werden: „Wirtschaftlichkeit umgreift die<br />
Gemeinwirtschaftlichkeit gerade nicht. Geboten ist eine kaufmännische Führung. Art.<br />
87e GG bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine Auswechslung der Entschei-<br />
dungsrationalität. Verkehrsdienstleistungen, auch solche der Verkehrsinfrastruktur,<br />
werden als Wirtschaftsgut verstanden, durch dessen Angebot am Markt Gewinne zu er-<br />
zielen sind. Dies beinhaltet nach außen eine Orientierung am Wettbewerb mit anderen<br />
Eisenbahnunternehmen oder anderen Verkehrsträgern, nach innen eine Orientierung<br />
am Unternehmensgewinn.“ Kürzer gefasst: Ziel der Reform war „eine unternehmerische<br />
Bahn mit voller unternehmerischer Verantwortung“ 6. Dabei sollten die (verbleibenden)<br />
„Gemeinwohlaufträge“ das neue Wirtschaftsunternehmen nicht belasten; das privati-<br />
2 Siegfried Magiera, Bundesbahnreform und Europäische Gemeinschaft, in: Blümel (Hrsg.), Verkehrswegerecht<br />
im Wandel, 1994, S. 35 ff.; Markus Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Art. 87e Rdnr.<br />
38 ff. (Kommentierung von November 2006); Hubertus Gersdorf, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar<br />
zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87e Rdnr. 5 ff.<br />
3 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BRat- DrS 130/93 vom 26.03.1993, S. 1.<br />
4 Eberhard Schmidt-Aßmann/Hans Christian Röhl, Grundpositionen des neuen Eisenbahnverfassungsrechts<br />
(Art. 87e GG), DÖV 1994, S. 577 (580).<br />
5 Robert Uerpmann-Wittzack, Verkehr, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik<br />
Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 89 Rdnr. 42.<br />
6 Beide Zitate Eberhard Schmidt-Aßmann/Hans Christian Röhl, Grundpositionen des neuen Eisenbahnverfassungsrechts<br />
(Art. 87e GG), DÖV 1994, S. 577 (581); ähnlich Günter Fromm, Die Reorganisation der<br />
Deutschen Bahnen, DVBl. 1994, S. 187 (191 und passim); Hubertus Gersdorf, in: von Mangoldt/Klein/Starck,<br />
Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87e Rdnr. 45 ff.