Rechtsgutachten - MBWSV NRW
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) Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff?<br />
Der Begriff der Daseinsvorsorge ist „zum Allgemeingut geworden, zugleich aber auch<br />
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sowohl hinsichtlich seines inhaltlichen Umfangs als auch hinsichtlich seiner juristischen<br />
Relevanz umstritten“ 150. Er wird oftmals eher als soziologischer denn als rechtlicher<br />
Terminus aufgefasst 151 . Die Lehrbuchliteratur behandelt den Begriff entweder stiefmüt-<br />
terlich oder glaubt, er sei verzichtbar 152. Auch hierin liegt ein Grund für eine bis heute<br />
fehlende stimmige Dogmatik zur Daseinsvorsorge 153. Selbst Forsthoff musste 1959 ein-<br />
räumen, dass der Begriff zu einem „Allerweltsbegriff“ zu werden drohe, „mit dem man<br />
alles und deshalb nichts beweisen“ könne 154.<br />
(1) Definitionsansätze und Abgrenzungen<br />
Der Daseinsvorsorgebegriff umfasst soziologische Analyse, juristische Dogmatik sowie<br />
politische Zielvorstellungen 155 und könnte demnach als Verbundbegriff bezeichnet wer-<br />
den. In der damit verbundenen Reichweite spiegelt sich die Definitionsvielfalt wider: Die<br />
Ansätze reichen von „Leistungen und Vorteile allein zum Zwecke der Befriedigung eines<br />
durch die Hilfsquellen des Begünstigten oder die Arbeitsweise des Marktes nicht ge-<br />
deckten Bedürfnisses“ 156 über „für ein sinnvolles menschliches Dasein notwendige Leis-<br />
tungen und Güter im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich“ 157 bis hin zur<br />
Forsthoff, Der Staat 44 (2005), 543 (555); anzumerken ist jedoch, dass Forsthoff sich erst Ende der Dreißiger<br />
Jahre sukzessive vom Nationalsozialismus distanziert hatte, vgl. Jens Kersten, a.a.O., S. 551 ff.<br />
150 Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 1 Rdnr. 16a; s. a. Matthias Knauff, Der<br />
Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004, S. 47: „Die Daseinsvorsorge ist heute ein nicht<br />
mehr wegzudenkender Bestandteil von Recht und Wirklichkeit […]“.<br />
151 S. etwa Fritz Ossenbühl, Daseinsvorsorge und Verwaltungsprivatrecht, DÖV 1971, 513 (515 ff.); Thorsten<br />
Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 12; Reiner Schmidt, Die Liberalisierung<br />
der Daseinsvorsorge, Der Staat 42 (2003), 225 (229).<br />
152 S. die Übersicht bei Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst<br />
Forsthoff, 2003, S. 69 f.<br />
153 Vgl. Matthias Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004, S. 47.<br />
154 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, Vorwort.<br />
155 Peter Badura, Die Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverwaltung und der soziale<br />
Rechtsstaat, DÖV 1966, 624 (626); Matthias Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge,<br />
2004, S. 45.<br />
156 Peter Michael Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Schmidt-Aßmann/Schoch (Hrsg.), Besonderes<br />
Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 3 Rdnr. 77.<br />
157 Vgl. Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 1, Rdnr. 16a.