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Rechtsgutachten - MBWSV NRW

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b) Begrenzte Relevanz der „Einheitlichkeit“ oder „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse<br />

im Bundesgebiet für die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs<br />

aa) Herkunft, Hintergrund und verfassungsrechtsdogmatische Bedeutung<br />

Die Forderung nach „einheitlichen“ oder „gleichwertigen Lebensverhältnissen im Bun-<br />

desgebiet“ wird als Argument in der finanzverfassungsrechtliche Diskussion regelmäßig<br />

herangezogen. Wie an anderer Stelle nachgewiesen wurde, handelt es sich dabei jedoch<br />

nicht um eine Staatszielbestimmung, d.h. um einen verbindlichen übergreifenden Satz<br />

des Verfassungsrechts, sondern lediglich um eine an verschiedenen Stellen des Grund-<br />

gesetzes aufscheinende, aus ihrem jeweiligen Kontext zu interpretierende Einzelfallre-<br />

gelung 129. Für eine Verfassungsreformdiskussion darf dieses Postulat alternative Sicht-<br />

weisen nicht verstellen, die Auslegung geltenden (Finanz-)Verfassungsrechts darf es<br />

nicht dominieren 130. Das gilt erst Recht für die Auslegung von Art. 106a GG.<br />

Auch die Anführung von eher tatsächlichen Bestimmungsgründen (vereinheitlichende<br />

Wirkung der Bundesgrundrechte und des Sozialstaatsprinzips; bundesweit agierende<br />

politische Parteien; Erwartungshaltungen der Bürger) nehmen – mit einem Wort Peter<br />

Lerches – den „Trend … als Faktum …, dem sich die Rechtswelt zu fügen habe“ 131 , unter-<br />

liegen also der Gefahr des Sein-Sollen-Fehlschlusses 132. Der Argumentationstopos von<br />

den einheitlichen oder gleichwertigen Lebensverhältnissen im Bundesgebiet erweist<br />

sich als historische Schlacke aus Perioden der Entwicklung der deutschen Bundesstaat-<br />

lichkeit, als die politische Einheit gefährdet war. Heute hat sie ihre Bedeutung weitge-<br />

hend verloren 133 .<br />

129 Christian Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland-Schweiz,<br />

1997, S. 84-94; Klaus Vogel/Christian Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts,<br />

1999, Rdnr. 81-87; ähnlich auch Stefan Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaat,<br />

1998, S. 13, 532 ff.; Sigrid Boysen, Gleichheit im Bundesstaat, 2005, S. 53 ff., 119 ff.; insoweit übereinstimmend<br />

auch Lerke Osterloh, Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse als offene Frage der Finanzverfassung,<br />

in: GS für Christoph Trzaskalik, 2005, S. 181.<br />

130 Zu Recht weißt etwa Markus Möstl, Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern,<br />

ZG 2003, S. 297 (299), auf einen Widerspruch hin, wenn in der Öffentlichkeit zwar „Entflechtung“<br />

des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges gefordert werde, die notwendige Konsequenz größerer Disparitäten<br />

zwischen den Ländern jedoch nach wie vor kritisch gesehen werde.<br />

131 Finanzausgleich und Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, in: FS für Friedrich Berber, 1973, S. 299.<br />

132 In diese Richtung etwa Hans Peter Bull, Finanzausgleich im „Wettbewerbsstaat“, DÖV 1999, S. 269<br />

(279).<br />

133 Ausführlicher Christian Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich<br />

Deutschland-Schweiz, 1997, S. 102 ff.

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