Rechtsgutachten - MBWSV NRW
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sei 240. „Angemessen“ könne freilich auch nicht im Sinne eines über das Erforderliche<br />
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hinausreichende ausgelegt werden, da sonst die ratio legis von Art. 143c GG ausgehebelt<br />
werden würde. Es liege in der „Natur“ einer Übergangsnorm, dass die Zahlungen auslau-<br />
fen und nicht abrupt beendet würden. Diese Auslegung ist weder zwingend noch nahe-<br />
liegend:<br />
Erforderlichkeit meint sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in verfassungs-<br />
rechtlichem Kontext stets ein Mindestmast, während mit Angemessenheit im Verfas-<br />
sungsrecht eine Abwägung zwischen Zielen und Mitteln anzeigt (und nicht eine Ober-<br />
grenze, wie das BMF schreibt). Das gilt sowohl beim Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
– dort freilich auf Eingriffe und ihre Rechtfertigung bezogen – als auch allgemein bei der<br />
Herstellung praktischer Konkordanz bei der Zuordnung konfligierender verfassungs-<br />
rechtlicher Werte oder Ziele – auch im Staatsorganisationsrecht 241 . Die vom BMF be-<br />
hauptete Perplexität mit der Folge des logischen Ausschlusses der dort kritisierten In-<br />
terpretation entsteht mit anderen Worten in der Tat nur, sofern man das eine Tatbe-<br />
standsmerkmal als Unter-, das andere jedoch als Obergrenze auslegt um dann festzustel-<br />
len, dass bei dem Erfordernis kumulativen Vorliegens ein Widerspruch auftrete. Ver-<br />
steht man, was nahelegend, ja quasi zwingend ist, „erforderlich“ als Untergrenze und<br />
„angemessen“ als Aufforderung zum Abwägen konfligierender Ziele, treten derartige<br />
logische Brüche nicht auf 242. Das BMF lehnt eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals<br />
„angemessen“ dahingehend, dass sich daraus auch über das Erforderliche hinausrei-<br />
chende Zahlungen ergeben könnten, mit dem Argument ab, dass andernfalls Sinn und<br />
Zweck des Art. 143c GG verfehlt würden. Ratio legis dieser Norm ist zwar in der Tat, wie<br />
oben dargelegt, als Übergangsvorschrift die Entflechtung von Mischfinanzierungstatbe-<br />
ständen voranzutreiben; dieses abstrakte Ziel darf jedoch keinesfalls dazu dienen, expli-<br />
zite tatbestandliche Anforderungen der Norm zu überspielen. Mit diesem Argument al-<br />
lein kommt man nicht über den Wortlaut des Tatbestandsmerkmals „angemessen“ hin-<br />
weg.<br />
240 Werner Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 143 Rdnr. 8, attestiert<br />
den beiden Tatbestandsmerkmalen insgesamt eine geringe Steuerungskraft. Er folgert dann – weniger<br />
rechtsdogmatisch, als vielmehr herrschaftssoziologisch – weiter: „Daß die Überprüfung tatsächlich zu<br />
einer Reduzierung führen wird, ist nicht ernsthaft anzunehmen, da die Länder kaum auf Mittel verzichten<br />
werden.“<br />
241 Allgemein dazu Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20.<br />
Aufl. 1995, Rdnr. 72, 317 ff.<br />
242 Vgl. auch Thomas Hilpert, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Zahlungen nach dem EntflechtG ab<br />
2014, IR 2011, S. 202 (203 f.).