Rechtsgutachten - MBWSV NRW
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Pflicht obliegt, konkrete Maßstäbe im Gesetzgebungsverfahren bzw. seiner Vorphase zu<br />
präsentieren.<br />
Es soll nicht verschwiegen werden, dass das Urteil vom November 1999 mit dem daraus<br />
hervorgehenden Maßstäbegesetz im Schrifttum überwiegend kritisch gesehen wurde<br />
und dass das Maßstäbegesetz von vielen als letztlich gescheitert eingestuft wird 58. Diese<br />
Kritik trifft freilich zwei Aspekte des Urteils, die bisher hier nicht referiert wurden und<br />
die für hiesige Konstellation auch mehr oder weniger irrelevant sind. Das Gericht stellt<br />
sich das Maßstäbegesetz als neue normhierarchische Kategorie vor, denn das FAG soll<br />
durch dieses Gesetz gebunden werden. Das ist ein Eingriff in die Rechtsquellenlehre und<br />
es erscheint in der Tat mehr als fraglich, ob dies ein Verfassungsgericht leisten kann o-<br />
der darf. In vorliegender Situation einer Revision bzw. Fortschreibung des Regionalisie-<br />
rungsgesetzes, wo ein thematisch im Vergleich zum gesamten bundesstaatlichen Fi-<br />
nanzausgleich sehr enger Verteilungskonflikt zu lösen ist, würde es genügen, dass im<br />
Regionalisierungsgesetz selbst die Maßstabsbildung erfolgt und die konkrete Verteilung<br />
dann exekutiv aufgrund der gesetzlich festgelegten Maßstäbe erfolgte. Die rechtsquel-<br />
lentheoretische „Zwischenform“ eines bindenden Maßstäbegesetzes wäre weder sinn-<br />
voll noch erforderlich. Damit erledigt sich auch der zweite wesentliche Kritikpunkt an<br />
dem Urteil aus dem 101. Band der Entscheidungssammlung des Gerichts: Der Zweite<br />
Senat hatte, in Anlehnung an Gedanken John Rawls, gefordert, dass die Maßstäbe in Un-<br />
kenntnis der konkreten Verteilungsergebnisse zu bilden seien, gewissermaßen hinter<br />
einem „Schleier des Nichtwissens“. Erst in zeitlichem und gedanklichem Abstand wären<br />
dann die eigentlichen Verteilungsentscheidungen zu treffen gewesen. Das mag in der Tat<br />
eine naive Vorstellung sein, die zudem auch noch demokratietheoretischen Einwänden<br />
ausgesetzt ist (darf ein Ministerpräsident einer Regelung überhaupt zustimmen, deren<br />
Folgen er für sein Land nicht überblickt bzw. überblicken darf?). Dieses Postulat entfällt<br />
hier mit der Maßstabsbildung im Regionalisierungsgesetz selbst.<br />
3. Keine Disposition über Kompetenznormen: Der Bund als „ehrlicher Makler“<br />
58 Vgl. nur Bodo Pieroth, Die Mißachtung gesetzlicher Maßstäbe durch das Maßstäbegesetz, NJW 2000, S.<br />
1088; Christoph Degenhart, Maßstabsbildung und Selbstbindung des Gesetzgebers als Postulat der Finanzverfassung<br />
des Grundgesetzes, ZG 2000, S. 79; Hans-Peter Bull, Der rationale Finanzausgleich – ein<br />
Gesetzgebungsauftrag ohnegleichen, DÖV 2000, S. 305.