Rechtsgutachten - MBWSV NRW

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

42 sollte als außerrechtlicher Faktor im Sinne eines bestimmten Vorverständnisses behan- delt werden 139. bb) Zwischenergebnis: Bedeutungslosigkeit für vorliegende Fragestellung Angesichts der Bedarfsorientierung, angesichts der allgemein verfehlten und begrenzten Direktivkraft des Postulats einheitlicher oder gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet als übergreifende Staatszielbestimmung über die konkreten grundgesetz- lichen Regelungsbereiche hinaus und angesichts der ausgelaufenen Bedeutung der An- gleichung zwischen Ost und West im Gefolge der Wiedervereinigung besitzt der Topos der einheitlichen oder gleichwertigen Lebensverhältnissen im Bundesgebiet für die Lö- sung der vorliegenden Verteilungsproblematik keinerlei verfassungsrechtliche Bedeu- tung 140. c) Begrenzte Relevanz der Qualifikation als „Daseinsvorsorge“ aa) Das Konzept Daseinsvorsorge – Entstehung und Entwicklung Der Begriff der Daseinsvorsorge geht auf den Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff zurück und erfasste – zumindest ursprünglich – einen Teilbereich der Leis- tungsverwaltung 141. Forsthoff entwickelte den Begriff in seiner Schrift „Die Verwaltung als Leistungsträger“ 1938 142 . Danach war unter Daseinsvorsorge „die Darbringung von Leistungen, auf welche der in die modernen massentümlichen Lebensformen verwiese- ne Mensch lebensnotwendig angewiesen ist“ zu verstehen 143 . Die Entwicklung des Be- 139 Stefan Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaat, 1998, S. 13 f. 140 Großzügiger, aber wohl auf den Finanzausgleich i.e.S. bezogen, Dirk Hanschel, Konfliktlösung im Bundesstaat, 2012, S. 228 ff. 141 Ernst Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, teilweise abgedruckt in ders., Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 22 ff. (27); Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 1 Rdnr. 16a. 142 Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 52 (59); umfassend jetzt Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, 2011, S. 153 ff. 143 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 27; später erstreckte Forsthoff den Begriff über das Lebensnotwendige hinaus auch auf weitere, für ein sinnvolles menschliches Dasein not-
43 griffs der Daseinsvorsorge wurde allerdings auch dem Philosophen Karl Jaspers zuge- schrieben, der in seiner Schrift „Die geistige Situation der Zeit“ von 1931, „die Massen- ordnung in Daseinsfürsorge“ thematisierte 144. Dass Forsthoff den Begriff von Jaspers ein- fach übernommen haben könnte, wird freilich bezweifelt 145 . Schon die Urheberschaft zweier so völlig verschiedener Protagonisten wie Jaspers und Forsthoff zeigt, dass mit dem Begriff trotz des zeitlichen Umfelds nicht etwa nationalsozialistisches Gedankengut transportiert wurde. Das Modell der Daseinsvorsorge in den 1930er Jahren fußte so- wohl bei Forsthoff als auch bei Jaspers auf dem Gedanken, dass für den Menschen zur damaligen Zeit, in der „die Folgen der industriellen Revolution für die Autonomie des Individuums“ 146 besonders spürbar waren, der beherrschbare Raum (Hof, Acker, Haus) geschwunden, der zugängliche Raum jedoch – insbesondere infolge des Ausbaus des Verkehrswesens – gewachsen war; dies hatte eine zunehmende Unsicherheit des menschlichen Daseins zur Folge 147 . Mit der Verringerung des beherrschbaren Raumes hatte der Einzelne die Vorsorge für die Befriedigung der Lebensbedürfnisse aus der Hand gegeben, die Macht der modernen Verwaltung wurde dadurch erhöht. Hierdurch war eine Lage entstanden, in welcher die „Lebensgüter nicht durch die Nutzung einer eigenen Sache, sondern im Wege der Appropriation“ zugänglich gemacht werden muss- ten 148 . Diejenigen Veranstaltungen zur Befriedigung dieser Appropriation bezeichnete Forsthoff als Daseinsvorsorge 149 . wendige Leistungen und Güter im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich, vgl. Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 1, Rdnr. 16a. 144 Vgl. Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 61, Fn. 38; Matthias Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004, S. 25 f. 145 Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 61; vielmehr dürften ihn die philosophischen Vorarbeiten dieser Zeit „bei der analytischen Verarbeitung und Erklärung des empirischen Befundes“ gestützt haben, die dann in die Entwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge mündete, vgl. Georg Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, S. 96; eingehend zu den theoretischen Vorarbeiten Matthias Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, 2004, S. 22 ff. 146 Jens Kersten, Die Entwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat 44 (2005), 543, 544. 147 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 25 f.; vgl. auch Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 58; Jens Kersten, Die Entwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat 44 (2005), 543 (552). 148 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 26; vgl. a. Michael Ronellenfitsch, Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 59. 149 Ernst Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 26; dieses Konzept mit seiner Idee der öffentlich-rechtlichen Bindung der leistenden Verwaltung, die vom Führerprinzip und vom Machtanspruch der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei getrennt bleiben sollte, passte nicht ins damalige nationalsozialistische Weltbild, was Forsthoff auch den Gegenwind der Partei einbrachte und dafür sorgte, dass der Ausdruck „Daseinsvorsorge“ nur mit Verzögerung Eingang in den juristischen Sprachgebrauch fand, vgl. Michael Ronellenfitsch , Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, in: Blümel (Hrsg.), Ernst Forsthoff, 2003, S. 62 f.; die Lehre an der Universität Wien wurde ihm 1942 z.B. von den Nationalsozialisten untersagt, s. Jens Kersten, Die Entwicklung des Konzepts der Daseinsvorsorge im Werk von Ernst
Seite 1: ÖPNV-Zukunftskommission NRW Rechts
Seite 4 und 5: Gliederung 2 A. Fragestellung und V
Seite 6 und 7: 4 3. Art. 143c GG in diesem Kontext
Seite 8 und 9: 6 „Staatsdistanz“ des Eisenbahn
Seite 10 und 11: 106a GG auf, der bereits vom Finanz
Seite 12 und 13: 10 Art. 106a GG ist - jenseits der
Seite 14 und 15: 12 onalität und die Publizität, d
Seite 16 und 17: gendwo explizit ausgesprochen 38, e
Seite 18 und 19: 16 wendigen gemeinsamen Entscheidun
Seite 20 und 21: 18 lich vorgegebenen Ausgangstatbes
Seite 22 und 23: 20 Die verfassungsrechtlich erwarte
Seite 24 und 25: 22 spielraum besitzt.“ 62 Wenig s
Seite 26 und 27: 24 Aus dem unter B ausgeführten er
Seite 28 und 29: 26 3. Systemgerechtigkeit als Verfa
Seite 30 und 31: echt 84. Die Rolle des Grundsatzes
Seite 32 und 33: Es empfiehlt sich, einerseits vom e
Seite 34 und 35: 32 dieser die Länder „führt“)
Seite 36 und 37: III. Die Unterscheidung zwischen de
Seite 38 und 39: chen! In den Worten Ulrich Hädes:
Seite 40 und 41: 38 die Höhe der Bundesmittel. Eine
Seite 42 und 43: 40 b) Begrenzte Relevanz der „Ein
Seite 46 und 47: ) Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff
Seite 48 und 49: 46 einerseits multipolare Interesse
Seite 50 und 51: 48 Daseinsvorsorge wird teilweise a
Seite 52 und 53: IV. Rechtsschutzfragen 50 Als Klage
Seite 54 und 55: 52 gument in diesem Zusammenhang, d
Seite 56 und 57: 54 bentrennung, sondern die Koopera
Seite 58 und 59: 56 plex von Mischfinanzierungen, du
Seite 60 und 61: 58 2. Änderungen durch die Födera
Seite 62 und 63: 60 habens einer Abschaffung der Gem
Seite 64 und 65: sei 240. „Angemessen“ könne fr
Seite 66 und 67: 64 „Einschnürung“ der Länder
Seite 68 und 69: 66 namische, d.h. an die Preis-, Lo
Seite 70 und 71: 68 ders., Die Reorganisation der de
Seite 72 und 73: Korioth, Stefan, Der Finanzausgleic
Seite 74: 72 Schulze-Fielitz, Helmuth, Grundm

Rechtsgutachten - MBWSV NRW

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

Template löschen?

Als Template speichern?