Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...
Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...
Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Soziale Bedingungen umweltgefährdenden Verhaltens<br />
• lenkt unsere Wahrnehmung<br />
• gibt Orientierung<br />
• vermittelt Wertungen<br />
• schafft Selbstverständlichkeiten<br />
• begründet blinde Flecken und Tabus.<br />
Am Beispiel religiöser Überzeugungen ist dies besonders gut zu sehen: Sie<br />
reichen tief in unser Wertesystem hinein, sie sind in besonderer Weise in ihrer<br />
Autorität abgesichert und leiten daraus auch einen besonderen Anspruch<br />
auf Befolgung ab. Zugleich ist an ihnen aber auch die Ambivalenz kultureller<br />
Werte für eine ökologische Umorientierung gut zu erkennen. Religiöse Überzeugungen<br />
waren auf der einen Seite ein starkes Motiv für ein Engagement<br />
für den Erhalt der Umwelt: Nicht wenige Menschen ergriffen aus Achtung<br />
vor der Schöpfung Partei für den Umweltschutz. Andererseits aber lehnt die<br />
katholische Kirche <strong>–</strong> und mit ihr viele Gläubige <strong>–</strong> aus demselben Grund eine<br />
Geburtenkontrolle strikt ab. Wir alle wissen aber: Die enorm gestiegene Bevölkerungszahl<br />
ist einer der wesentlichen Faktoren für die rasant gestiegene<br />
Umweltbelastung. Das Festhalten an religiösen Dogmen führt somit zu einer<br />
Verschärfung der Umweltkrise.<br />
Wenn wir es „eine Nummer kleiner“ als mit der Religion haben wollen:<br />
Kulturell beeinflusst sind auch unsere Ernährungsgewohnheiten und unser<br />
System sozialer Anerkennung. Die Tierhaltung etwa spielt in der Veränderung<br />
des Klimas eine wesentliche Rolle. Etwa 18 % der vom Menschen verursachten<br />
Treibhausgase wird den Folgen der extensiven Rinderzucht zugeschrieben.<br />
11 Ein Verzicht auf die tägliche Fleischbeigabe wäre segensreich für<br />
die Umwelt. Und wenn in unserer angeblich so rationalen Gesellschaft das<br />
Ansehen einer Person nicht automatisch mit dem Hubraum und der PS-Zahl<br />
des Autos, dem sie entsteigt, gekoppelt wäre, würde ein Rückgang z. B. der<br />
Zahl der Sport-Utility-Vehicels und anderer überdimensionierter und -motorisierter<br />
Fortbewegungsmittel in den Großstädten ebenfalls den Menschen<br />
und der Umwelt zu Gute kommen.<br />
Wenn wir also der Zerstörung unserer Umwelt erfolgreich entgegenwirken<br />
wollen, dann wird es nicht genügen, die Bequemlichkeit des einzelnen in<br />
den Blick zu nehmen <strong>oder</strong> die Unersättlichkeit der Wirtschaft anzuprangern <strong>–</strong><br />
wir werden uns auch mit dem weniger Sichtbaren auseinander setzen müssen,<br />
das uns alle aber dennoch direkt betrifft: mit sozialen Strukturen und kultu-<br />
11 Der Spiegel, 42, 2010, 72.<br />
61