Klimawandel – Faktum oder Spuk? - OPUS - Friedrich-Alexander ...
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Matthias Warstat<br />
nierungen, so die landläufige Auffassung, dienen der Manipulation, sie gleichen<br />
einem Täuschungsversuch und werden deshalb im Verborgenen ausgeheckt.<br />
Der Inszenierungsbegriff schien in der Politik negativ besetzt: Im Theater<br />
ist spielen in Ordnung, aber in der Politik sollte es eigentlich ernst und<br />
ehrlich zugehen.<br />
Genau in dieser Haltung scheint sich nun aber gegenwärtig ein Wandel<br />
abzuzeichnen. Wir werden womöglich Zeugen schleichender Veränderungen<br />
in der politischen Kultur. Ablesbar ist dieser Wandel an dem Erfolg einiger<br />
Politikerpersönlichkeiten, die aus dem Inszenierungscharakter ihres öffentlichen<br />
Auftretens keinen Hehl mehr machen. Gerhard Schröder zum Beispiel<br />
pflegte als Politiker mit sehr unterschiedlichen Images zu operieren: Ob<br />
als „Genosse der Bosse“, als Putzfrauensohn aus dem Lipperland, als Lebemann,<br />
Genussmensch <strong>oder</strong> treusorgender Adoptivvater, als Populist, Marktwirtschaftler<br />
<strong>oder</strong> Freund der Künste <strong>–</strong> Schröder beherrschte viele verschiedene<br />
öffentliche Rollen, und er gefiel sich darin, diese Rollen auch ganz unverhohlen<br />
zu wechseln und gegeneinander auszuspielen. Keiner konnte sich<br />
darüber täuschen, dass Schröder ein begnadeter Politik-Darsteller war, der<br />
damit kokettierte, sich nicht auf ein einzelnes Rollenmodell festlegen zu lassen.<br />
Mal ließ er sich mit Zigarre im Brioni-Anzug ablichten, dann wieder sah<br />
man ihn in eine Currywurst beißen, und gerne ließ sich der Mann aus dem<br />
Norden auch im Habit eines Werftarbeiters <strong>oder</strong> Schiffskapitäns fotografieren.<br />
Das breite Publikum schätzte an ihm offenbar gerade die Virtuosität der<br />
Inszenierung.<br />
Und diese Haltung, es auch außerhalb des Theaters zu genießen, dass<br />
man etwas vorgespielt bekommt, einen Politiker also gerade für seine gelungenen<br />
Inszenierungen zu mögen und ihm dafür Kompetenz zuzuschreiben,<br />
diese Haltung wäre wohl noch vor wenigen Jahrzehnten schwer vorstellbar<br />
gewesen. Sie steht vielleicht in einem größeren Zusammenhang. Denn auch<br />
in den Chatforen des Internets <strong>oder</strong> in der elektronischen Partnervermittlung<br />
ist es durchaus erlaubt <strong>oder</strong> sogar gewünscht, dem anderen etwas vorzuspielen.<br />
Sich gut verkaufen zu können, etwas darstellen zu können, kann heute<br />
zur Attraktivität eines Menschen beitragen und wird als Pluspunkt gewertet<br />
<strong>–</strong> bei Bewerbungsgesprächen, am Arbeitsplatz wie auch im Privatleben.<br />
Es ist womöglich eine neue gesellschaftliche Tendenz, dass wir uns gerne etwas<br />
vorspielen lassen. Der Theaterdramaturg Carl Hegemann hat auf diese<br />
Tendenz hingewiesen und zugleich die Frage aufgeworfen, was es eigentlich<br />
für das Theater als Kunstform bedeutet, wenn theatrales Handeln plötzlich