Kapitel 1 - Humboldt-Universität zu Berlin
Kapitel 1 - Humboldt-Universität zu Berlin
Kapitel 1 - Humboldt-Universität zu Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
genutzt werden, wenn ein Einzelner nichts zahlt. Dies wäre im Fall des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens in Deutschland denkbar: Zwar ist seine Bereitstellung höchstwahrscheinlich von<br />
der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht, doch würde ein Individuum, welches freiwillig<br />
einen Beitrag leisten sollte, keinen Anreiz haben, den Beitrag seinen wahren Präferenzen<br />
entsprechend <strong>zu</strong> leisten. Im Gegenteil: Umso mehr Menschen das Gut nutzen, umso geringer<br />
ist dieser Anreiz, denn das Ausscheren aus der Finanzierung hätte wahrscheinlich keine<br />
Folgen für den eigenen Nutzen. Während der Marktmechanismus bei privaten Gütern eine<br />
wahre Präferenzenthüllung automatisch und dezentral hervorruft, ist eine freiwillige<br />
Enthüllung derselben bei öffentlichen Gütern, gegeben es kann niemand vollständig<br />
ausgeschlossen werden, weniger wahrscheinlich und begünstigt Freifahrerverhalten. 114 So<br />
kann laut Blankart (2006) individuelle Rationalität (hier: die individuelle Entscheidung, nichts<br />
für die Bereitstellung der Güter <strong>zu</strong> zahlen) <strong>zu</strong> einer kollektiven Irrationalität führen. 115 In<br />
bestimmten Fällen ist es daher nachvollziehbar, wenn der Staat Steuern oder Gebühren erhebt,<br />
um diese kollektive Irrationalität <strong>zu</strong> umgehen. 116 Ganz anders liegt der Fall im Kinokonsum:<br />
Eine Entscheidung des Konsumenten, sich nicht „an der Finanzierung <strong>zu</strong> beteiligen“ schließt<br />
ihn aus. Er kommt nicht in den Genuss des Gutes. In diesem Fall spielt das<br />
Freifahrerverhalten keine Rolle. Doch was ist mit dem Grenzfall, wenn das Produkt früher<br />
oder später doch „umsonst“ <strong>zu</strong> haben ist?<br />
4.2.2 Der Einfluss technologischer Entwicklungen auf die „Öffentlichkeit“<br />
eines Films<br />
In den ersten 50 Jahren der Filmgeschichte, als es das Fernsehen und das Internet noch nicht<br />
gab, war der Film dementsprechend weiter von einem reinen öffentlichen Gut entfernt als<br />
heute. Technologische Entwicklungen haben also offensichtlich einen direkten Einfluss auf<br />
die „Öffentlichkeit“ eines Gutes bzw. eines Films. 117<br />
In der Praxis durchläuft ein Film heut<strong>zu</strong>tage mehrere Auswertungsfenster, so dass eine<br />
grundsätzliche Trennung dieser, beispielsweise von Fernsehkonsum und Kinokonsum, in der<br />
114 Vgl. Stiglitz (1989), S. 115: Frei- oder Schwarzfahrerverhalten bedeutet „die mangelnde Bereitschaft der<br />
Individuen, freiwillig die Bereitstellung öffentlicher Güter <strong>zu</strong> unterstützen.“<br />
115 Vgl. Blankart (2006), S.61.<br />
116 Allerdings ist die Höhe maßgeblich: Sind die Nut<strong>zu</strong>ngsgebühren sehr hoch, so kann dies <strong>zu</strong><br />
Konsumverzerrungen führen, z.B. durch die Substitution weg von bestimmten, substitutsnahen Filmen im Kino.<br />
117 Ähnliche Entwicklungen sind auch in der Musikindustrie bezüglich der Diffusion des Radios und des so<br />
genannten Internet-Live-Streaming <strong>zu</strong> beobachten.<br />
43