Für andere und für mich, Band 2 - Arbeitsgemeinschaft der ...
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dann mit Wein, um sie zuletzt zu verbinden. Anschließend<br />
bringt er den Verw<strong>und</strong>eten an einen<br />
sicheren Ort, wo er die Pflege fortsetzen kann.<br />
Falsch verstandene Nächstenliebe würde nun erwarten,<br />
dass <strong>der</strong> Mann aus Samarien seine eigenen<br />
Interessen zurückstellt <strong>und</strong> so lange bei dem<br />
Verw<strong>und</strong>eten bleibt, bis <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> vollständig geheilt<br />
ist. Richtig verstandene Selbstliebe lässt ihn<br />
dagegen am nächsten Tag aufbrechen <strong>und</strong> seinen<br />
eigenen Geschäften nachgehen. Vorher aber regelt<br />
er die weitere Versorgung finanziell <strong>und</strong> delegiert<br />
die Hilfe an einen <strong>an<strong>der</strong>e</strong>n. Nächstenliebe schließt<br />
nicht aus, dass ich <strong>mich</strong> um Mithilfe kümmere.<br />
Es ist vielleicht nicht ganz so glanzvoll <strong>und</strong> edel,<br />
wenn ich <strong>für</strong> sie bezahle, aber da<strong>für</strong> in manchen<br />
Fällen zweckmäßig. Der Samaritaner jedenfalls<br />
weiß genau, wie er den Wirt dazu bewegen kann,<br />
dem Ausgeraubten weiter<br />
beizustehen. Gewissensappelle<br />
hätten nicht geholfen.<br />
Wenn man sich die Geschichte<br />
noch einmal ansieht, kann<br />
man feststellen, dass <strong>der</strong><br />
Samaritaner an keiner Stelle<br />
etwas tun muss, das über<br />
seine Kräfte geht. Bei näherer<br />
Betrachtung lässt sich nur<br />
konstatieren: Er tut, was zu<br />
tun ist. Kein Gesülze, keine<br />
Psychoshow, son<strong>der</strong>n Handfestes.<br />
Nächstenliebe tut das<br />
Naheliegende.<br />
Jesus zeichnet hier ein Modell,<br />
das niemanden überfor<strong>der</strong>t, aber jede <strong>und</strong> jeden<br />
dazu anhält, existentiell hellwach zu bleiben.<br />
Das wichtigste Wort in <strong>der</strong> Samaritanergeschichte<br />
ist das Wort „zufällig“. Zufällig stoßen die drei<br />
Personen <strong>der</strong> Erzählung auf den Überfallenen,<br />
um sich darauf sehr unterschiedlich zu verhalten.<br />
Wer also konkret nach dem Nächsten fragt, muss<br />
wissen: wer die o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Nächste ist, das ereignet<br />
sich. Wir suchen uns unseren Nächsten nicht aus.<br />
Er begegnet uns. Wir können nicht bestimmen, wer<br />
<strong>Für</strong> <strong>an<strong>der</strong>e</strong> <strong>und</strong> <strong>für</strong> <strong>mich</strong> - eine thematische Einführung<br />
unsere Nächste wird. Sie stößt uns zu. Wir haben<br />
keine Wahl, können uns nicht vorher herauspicken,<br />
wer uns am besten passen würde.<br />
Wer unsere Nächsten sind, ist unvorhersehbar <strong>und</strong><br />
überraschend. Doch es werden immer Menschen<br />
sein, die in eine Situation geraten sind, aus <strong>der</strong><br />
sie allein nicht mehr herausfinden. Nächstenliebe<br />
bedeutet, mit da<strong>für</strong> zu sorgen, dass Menschen<br />
wie<strong>der</strong> fähig werden, selbständig leben zu können.<br />
Mehr nicht, aber auch nicht weniger.<br />
Wir finden, dass sich mit einem solchen Verständnis<br />
von Nächstenliebe freier atmen lässt – <strong>und</strong><br />
schwerer nach Ausflüchten suchen, um nichts zu tun.<br />
Nächstenliebe ist immer auch ein Aufstand gegen<br />
jede Form von Nationalismus, religiöser Überheblichkeit<br />
<strong>und</strong> sozialer Deklassierung. Über<br />
alle Normen <strong>und</strong> Schranken setzt sie sich fe<strong>der</strong>-<br />
leicht hinweg. Sie ist ein Herzweg von Mensch<br />
zu Mensch <strong>und</strong> damit auch zu Gott. Denn Gottesliebe<br />
ist ohne Nächstenliebe nicht zu haben <strong>und</strong><br />
Nächs tenliebe nicht ohne Liebe zu sich selbst.<br />
„Bildung“, so verstanden, käme ohne ein System<br />
aus, das Menschen klassifiziert <strong>und</strong> von vornherein<br />
die Chancen ungleichmäßig verteilt.<br />
An dieser Stelle verzichten wir aus Gründen<br />
des Umfangs dieses Beitrages auf die Themen<br />
FÜR ANDERE UND FÜR MICH (BAND 2)_23<br />
GEGEN DEN TREND ’2009