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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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KAPITEL II<br />

3. Das religiöse Leben <strong>des</strong> Volkes<br />

Es stellt einen bemerkenswerten Umstand dar, der gegen Ende der<br />

Edo-Zeit auch von keinem Geringeren als dem genannten großen<br />

kokugaku-Gelehrten Motoori Norinaga aufs Heftigste kritisiert<br />

wurde, 77 daß <strong>die</strong> bäuerlichen Pilger der zu jener Zeit in Japan äußerst<br />

populären Ise-Wallfahrten vor allem der Gottheit <strong>des</strong> Äußeren<br />

Schreins (Gekû), der Nahrungsgöttin Toyouke no kami, huldigten.<br />

Die heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Priesterschaft <strong>des</strong><br />

Inneren <strong>und</strong> <strong>des</strong> Äußeren Schreins um <strong>die</strong> Vorherrschaft im populären<br />

Ise-Kult zeigt in aller Deutlichkeit einen tiefen Riß in der<br />

scheinbar so homogenen theologischen <strong>Konzeption</strong> <strong>des</strong> Daijingû<br />

zu Ise. Mark Teeuwen (1995: 6) berichtet, daß Pilger sogar durch<br />

Blockaden der Zugangswege am Besuch <strong>des</strong> Inneren Schreins<br />

gehindert wurden. Da der Äußere Schrein nicht nur dem Kult der<br />

Toyouke no kami gewidmet war, sondern als Sitz <strong>des</strong> Priestergeschlechtes<br />

der Watarai auch das theologische Zentrum <strong>des</strong> synkretistischen<br />

Watarai- bzw. Ise-<strong>Shintô</strong> (s.o.) darstellte, berühren sich<br />

hier allgemeine Volksfrömmigkeit <strong>und</strong> theologisch-philosophischer<br />

<strong>Shintô</strong> aufs Engste. Insbesondere durch <strong>die</strong> oben behandelten<br />

Lehren <strong>des</strong> Watarai Nobuyoshi erfuhr <strong>die</strong>se Schule in der<br />

Edo-Zeit eine bemerkenswerte Aktualisierung <strong>und</strong> konfuzianische<br />

Neuorientierung, welche, wie gezeigt werden konnte, einen deutlichen<br />

Bruch mit der mittelalterlich-synkretistisch geprägten Tradition<br />

<strong>des</strong> überkommenen Ise-<strong>Shintô</strong> markiert. In der heftigen Polemik<br />

Norinagas gegen <strong>die</strong> Dominanz <strong>des</strong> Äußeren Schreins im<br />

populären Ise-Kult seiner Zeit finden wir somit deutliche Hinweise<br />

auf <strong>die</strong> theologisch-ideologische Ebene <strong>des</strong> Ise-Wallfahrtswesens,<br />

wie etwa an Norinagas Abrechnung mit den Hauptquellen <strong>des</strong><br />

Watarai-<strong>Shintô</strong>, den <strong>Shintô</strong> gobusho, ersichtlich (vgl. Teeuwen<br />

1995: 38, n. 117), <strong>und</strong> es liegt hier ein sinnfälliger Verbindungspunkt<br />

zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>des</strong> edozeitlichen <strong>Shintô</strong> vor.<br />

3. 1. Das Pilgerwesen der Edo-Zeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ise-Wallfahrten<br />

Es steht, wie bereits ausgeführt, außer Zweifel, daß den Schreinen<br />

in der Edo-Zeit vornehmlich <strong>die</strong> Funktion zukam, <strong>die</strong> sozialen,<br />

lokalen <strong>und</strong> regionalen Bindungen <strong>des</strong> Individuums zu stärken,<br />

doch darf auf der anderen Seite in <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>die</strong><br />

77 Vgl. Motoori Norinagas Schrift Ise Naikû sakitake no ben (Teeuwen 1995).

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