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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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KAPITEL III<br />

hungsminister Komatsubara Eitarô ordnete im Jahr 1911 an, daß<br />

alle Lehrer ihre Schüler geschlossen zu einem öffentlichen Schrein<br />

zu führen hätten, damit <strong>die</strong>se vor dem Altar ihre Ehrerbietung<br />

darbrächten. Schließlich stehe <strong>die</strong> Empfindung der Ehrerbietung,<br />

so <strong>die</strong> Anweisung, in Wechselbeziehung zu dem Gefühl <strong>des</strong> Respekts<br />

für <strong>die</strong> Vorfahren <strong>und</strong> sei daher äußerst wichtig für <strong>die</strong><br />

Schaffung der Gr<strong>und</strong>lagen einer neuen Nationalmoral (Holtom<br />

1922: 42) – es sei in <strong>die</strong>sem Zusammenhang auch an <strong>die</strong> Bemühungen<br />

Inoue Tetsujirôs zur Begründung einer <strong>japanischen</strong> Ethik<br />

(Nihon-dôtoku) erinnert. Diese Pflichtbesuche waren jedoch nicht<br />

unumstritten. Eines der bekanntesten Beispiele in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

ist <strong>die</strong> Weigerung einer Gruppe katholischer Studenten<br />

der Sophia-Universität, sich vor dem Yasukuni-Schrein zu verbeugen<br />

(1932). Sie begründeten ihre Weigerung mit dem Hinweis auf<br />

<strong>die</strong> Garantie der Religionsfreiheit durch Artikel 28 der Verfassung.<br />

Das Erziehungsministerium wischte <strong>die</strong>ses Argument mit der<br />

Begründung vom Tisch, Schreine seien definitiv nicht-religiöse<br />

Einrichtungen, deren primärer Zweck es sei, Patriotismus <strong>und</strong><br />

Loyalität zu pflegen. Und da <strong>die</strong> Schreinriten areligiös seien, sei es<br />

auch zulässig, <strong>die</strong> Teilnahme für alle Untertanen verpflichtend zu<br />

machen.<br />

Wie Holtom (1922: 26 ff.) weiterhin ausführt, unternahm <strong>die</strong><br />

Regierung in den Jahren 1899 <strong>und</strong> 1900 somit <strong>die</strong> letzten Schritte,<br />

um dem <strong>Shintô</strong> eine Stellung als Nicht-Religion zuzuweisen. Die<br />

Priester <strong>des</strong> Ise-jingû waren dafür Wegbereiter, indem sie behaupteten,<br />

<strong>Shintô</strong> sei lediglich ein Kult für <strong>die</strong> Erhaltung der Ahnenverehrung<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Bewahrung der geschichtlichen Kontinuität in<br />

der <strong>japanischen</strong> Gesellschaft. Die Führung <strong>die</strong>ses nationalen Heiligtums<br />

ging in vorauseilendem Gehorsam sogar so weit, bei der<br />

Regierung selbst den (erfolgreichen) Antrag zu stellen, sich den<br />

Status einer religiösen Körperschaft absprechen zu dürfen <strong>und</strong><br />

statt<strong>des</strong>sen <strong>die</strong> Rechtsform einer säkularen juristischen Körperschaft<br />

(zaidan-hôjin) mit dem Titel Jingû-hôsaikai („Gesellschaft<br />

zur Verehrung <strong>des</strong> Erlauchten Schreines [von Ise]“) anzunehmen.<br />

Die religiösen Veränderungen <strong>die</strong>ser Jahre müssen nach Holtom<br />

im Lichte der allgemeinen politischen Situation der Zeit gesehen<br />

werden. Was <strong>die</strong> religiöse Situation anging, so garantierte <strong>die</strong><br />

1889 verkündete Verfassung jedem <strong>japanischen</strong> Staatsbürger reli-

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