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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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154<br />

KAPITEL II<br />

entwicklung <strong>und</strong> Verdorbenheit. 157 War Mabuchis Ablehnung <strong>des</strong><br />

Konfuzianismus noch weitgehend frei von derartigen chauvinistischen<br />

Tönen gewesen – er hatte den Konfuzianismus lediglich als<br />

Lehre abgelehnt, dagegen jedoch den gleichfalls chinesischen<br />

Taoismus geschätzt 158 – so finden wir bei Norinaga den Übergang<br />

von der rein philosophisch-philologischen Kritik <strong>des</strong> Konfuzianismus<br />

hin zu der politisch-ideologischen Ablehnung Chinas in der<br />

späten kokugaku.<br />

Ihr Hauptvertreter, Hirata Atsutane, predigte eine glühende<br />

Tennô-Verehrung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Idee von der religiös begründeten<br />

Überlegenheit Japans vor allen anderen Ländern. Insbesondere<br />

China galt ihm als Hort der Verderbtheit, da <strong>die</strong> chinesische Geschichte<br />

von Verrat <strong>und</strong> Usurpation, mithin dem Gegenteil <strong>des</strong><br />

konfuzianischen Heiligenideals, geprägt gewesen sei.<br />

Hier ist eine kurze Anmerkung zur Bedeutung der herrschaftlichen<br />

Legitimation im Denken der kokugaku angebracht. Nach<br />

Überzeugung aller kokugakusha gebührte dem <strong>japanischen</strong> Kaiserhaus<br />

der höchste Rang unter allen Herrschern, da es, als weltweit<br />

einziges, in direkter Linie von den Gottheiten der – <strong>japanischen</strong> –<br />

Mythologie, wie wir sie aus dem Kojiki kennen, abstammte. Die<br />

hier erkennbare Bedeutung <strong>des</strong> tribal-genealogischen Denkens<br />

stellt <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>die</strong>ser Lehre dar. Weil das Kaiserhaus, nach<br />

Überzeugung der kokugaku, in direkter Linie von den Himmelsgöttern<br />

abstamme, sei es zur ewigen Herrschaft berufen. Die Bedeutung<br />

<strong>die</strong>ses Gedankens in der kokugaku <strong>und</strong>, nach der Restauration,<br />

in der Staatsdoktrin <strong>des</strong> modernen Japans bis zum Ende <strong>des</strong><br />

2. Weltkrieges, kann überhaupt nicht überbetont werden. Für <strong>die</strong><br />

kokugakusha, <strong>und</strong> insbesondere <strong>die</strong> Vertreter der späten Richtung<br />

<strong>des</strong> Hirata Atsutane, entscheidet sich der Wert eines Lan<strong>des</strong> nahezu<br />

ausschließlich anhand <strong>die</strong>ser Frage.<br />

Ein Schüler jener Richtung mit Namen Takeo Masatane verfaßte<br />

im Jahr 1861, also in der Periode <strong>des</strong> großen politischen Umbruchs,<br />

eine umfangreiche Schrift zur weltpolitischen Lage jener<br />

Zeit. 159 Wie wir aus der Untersuchung von Kim Braun wissen, un-<br />

157 Vgl. Naobi no mitama (Motoori (1922): 4 = Stolte 1939: 195), dort beschreibt Motoori<br />

Norinaga China als ein Land, in welchem „<strong>die</strong> Herzen der Menschen verdorben <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Sitten verwildert sind“.<br />

158 In seiner Schrift Kokuikô beruft sich Kamo Mabuchi auf <strong>die</strong> Lehren <strong>des</strong> Lao-tzu <strong>und</strong><br />

damit den Taoismus als <strong>die</strong> älteste Lehre Chinas, erst mit dem Konfuzianismus habe in China<br />

der moralische Niedergang begonnen (vgl. u.a. Dumoulin 1939: 180).<br />

159 Takeo Masatane: Dai teikoku-ron (NST 20); vgl. Braun 1989 u. 1992.

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