04.06.2013 Aufrufe

Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

MEIJI-RESTAURATION UND MEIJI-ZEIT 255<br />

Entwicklung stets ein Land war, das vor allem durch eines gekennzeichnet<br />

war: Vielschichtigkeit <strong>und</strong> Zerrissenheit in kultureller,<br />

sozialer <strong>und</strong> territorialer Hinsicht, wurde ideologisch in der<br />

Meiji-Zeit so erfolgreich verdrängt, daß <strong>die</strong> neue Sicht eines ethnisch,<br />

kulturell, sozial, sprachlich etc. einheitlichen Lan<strong>des</strong> zum<br />

absoluten Dogma <strong>des</strong> Kokutai-<strong>Shintô</strong> aufsteigen konnte.<br />

Zwar hatte es seit dem Altertum geistige Bemühungen, insbesondere<br />

in Kreisen der konfuzianisch geprägten <strong>Shintô</strong>-Theologie,<br />

gegeben, ein Bild von „Japan“ als Ganzem zu entwerfen, doch<br />

strahlten <strong>die</strong>se Konstrukte, untrennbar mit der dem chinesischen<br />

Konfuzianismus entstammenden Idee <strong>des</strong> alten Zentralstaats der<br />

Ritsuryô-Zeit verb<strong>und</strong>en, eben <strong>des</strong>halb solch große Attraktivität<br />

aus, weil sie zu keiner Zeit der gesellschaftlichen, kulturellen <strong>und</strong><br />

politischen Realität Japans entsprochen haben. Und es war, nach<br />

den Jahrh<strong>und</strong>erten <strong>des</strong> staatlichen Chaos im <strong>japanischen</strong> Mittelalter,<br />

gerade das Japan der Tokugawa-Zeit, welches vordergründig<br />

den Anschein eines straff verwalteten <strong>und</strong> damit hierarchisch vereinheitlichten<br />

Gemeinwesens bot, das mit seiner faktischen sozialen<br />

wie territorialen Zersplitterung <strong>die</strong> Forderung nach einer sozialen<br />

Einheit im nationalstaatlichen Rahmen hervorbrachte. Gerade, weil<br />

das Land stets in partikulare Gruppen zerfallen war, mußte <strong>die</strong><br />

Utopie der Homogenität aus der Sicht <strong>des</strong> neuen, meijizeitlichen<br />

Zentralstaates so verheißungsvoll erscheinen.<br />

Aus dem Umstand, daß <strong>die</strong> soziale, religiöse <strong>und</strong> politische<br />

Wirklichkeit, insbesondere im <strong>japanischen</strong> Mittelalter, <strong>die</strong>ser idealen<br />

Wunschvorstellung nie entsprochen hat, erklärt sich somit <strong>die</strong><br />

Existenz der Idee von Japan als einem Land mit einer einheitlichen,<br />

gemeinsamen Kultur in Kreisen der nationalen Staatstheoretiker<br />

<strong>und</strong> religiösen Nativisten. Der Nativismus prägte japanisches<br />

Denken damit schon lange vor der Begegnung mit Europa<br />

in der bakumatsu-Zeit in unterschiedlichen geistesgeschichtlichen<br />

Entwicklungslinien <strong>und</strong> konnte <strong>des</strong>halb in der Meiji-Zeit eine so<br />

unkomplizierte Verbindung mit dem westlichen, insbesondere dem<br />

deutschen Nationalismus eingehen: beide waren ähnlichen Ansätzen<br />

<strong>und</strong> Zielen verpflichtet, suchten sozial, regional <strong>und</strong> sprachlich<br />

zerrissene <strong>und</strong> daher isolierte Kulturräume in einheitliche Nationen<br />

zu verwandeln (es sei hier nur angedeutet, daß sich etwa zwischen<br />

den nativistischen Ideen der kokugaku <strong>und</strong> dem roman-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!