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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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36<br />

KAPITEL I<br />

kennen. „Der“ <strong>Shintô</strong> zeigt sich uns am Morgen seiner Geschichte<br />

in einem schillernden, vielgestaltigen Gewand; hier ist<br />

noch kein Gedanke an den einheitlichen Zwirn einer homogenen<br />

Urreligion Japans.<br />

Die Mythologie <strong>des</strong> <strong>Shintô</strong> war somit von Anfang an eindeutig<br />

politisch-legitimatorisch motiviert. Doch zeigt sich in den Quellenschriften<br />

auch <strong>die</strong> vielfältige Herkunft der einzelnen, erst durch <strong>die</strong><br />

Kompilatoren <strong>des</strong> Kojiki in eine einzige, durchgehende Überlieferung<br />

gegossenen Mythen.<br />

Bemerkenswert ist, daß in der zweiten der genannten alten Quellen,<br />

dem Nihongi, der mythische Stoff wesentlich differenzierter<br />

dargestellt wird als im Kojiki. Stellt sich das Ganze im Kojiki als<br />

eine einzige, fortlaufende <strong>und</strong> zielgerichtete Handlung dar, so<br />

bringt das Nihongi meist gleich mehrere voneinander abweichende<br />

Varianten zu einer bestimmten Handlungsepisode. Die vielen Varianten<br />

<strong>des</strong> Nihongi zeigen, daß man sehr wohl verschiedene Überlieferungszweige<br />

kannte, <strong>die</strong> untereinander große Abweichungen<br />

aufweisen konnten. Die in der Neuzeit durch <strong>die</strong> kokugaku erhobene<br />

<strong>Shintô</strong>-Doktrin von der „einen, homogenen Überlieferung“,<br />

<strong>die</strong> sich ausschließlich auf das Kojiki beruft, stellt also von Anfang<br />

an eine Illusion, etwas künstlich zum Zweck der bereits erwähnten<br />

politischen Legitimation Geschaffenes dar.<br />

Will man aber von <strong>die</strong>sem Konstrukt politischer Mythologie<br />

vordringen in <strong>die</strong> Bereiche <strong>des</strong> Religiösen, so zeigt sich, daß sich<br />

dem Verständnis große Hürden entgegenstellen. Und <strong>die</strong> Frage<br />

nach der <strong>japanischen</strong> „Urreligion“ wird immer komplexer, je<br />

mehr wir uns damit zu befassen suchen. Ein sinnvoller Weg zur<br />

Aufhellung der Problematik liegt in der Methode begründet, möglichst<br />

genau <strong>die</strong> Details <strong>und</strong> einzelnen Motive <strong>des</strong> mythologischen<br />

Ganzen zu betrachten <strong>und</strong> vergleichend zu untersuchen.<br />

3. 2. 3. 1. 3 Moderne Mythos-Forschung<br />

Diese Richtung der analytischen <strong>und</strong> vergleichenden Mythenforschung<br />

ist in Japan uneingeschränkt jedoch erst seit dem Ende<br />

<strong>des</strong> Zweiten Weltkrieges möglich geworden. Noch einer ihrer Begründer,<br />

der Gelehrte Tsuda Sôkichi, hat in der Vorkriegszeit<br />

größte Repressalien über sich ergehen lassen müssen, da er <strong>die</strong><br />

Mythen, entgegen dem verbindlichen Dogma der Zeit, nicht als<br />

Berichte einer historischen Wahrheit ansah. Auch zog er <strong>die</strong> Sage

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