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Shintô und die Konzeption des japanischen Nationalwesens

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KAPITEL I<br />

tische Strukturen wurden entsprechend dem chinesischen Vorbild<br />

geschaffen, <strong>die</strong> auch noch im modernen Sinne als durchaus gangbar<br />

<strong>und</strong> vernünftig erscheinen. Der Staat wurde vollkommen sinisiert,<br />

d.h. der chinesischen Kultur erschlossen. Und chinesische<br />

Kultur meint hier, neben dem Buddhismus, der uns in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

weniger berührt, vor allem <strong>die</strong> Lehre <strong>des</strong> Konfuzius<br />

<strong>und</strong> seiner Nachfolger.<br />

Im Zentrum ihrer Überlegungen hatte der ideale Staat gestanden,<br />

geführt von einem ebenso idealen Herrscher, dem „Sohn<br />

<strong>des</strong> Himmels“. Nur ein wahrhaft tugendhafter Herrscher aber<br />

konnte das Wohlergehen <strong>des</strong> Staates sichern, da Herrscher <strong>und</strong><br />

Staat in mystischer Hinsicht tief miteinander verb<strong>und</strong>en waren.<br />

Verlor ein Kaiser seine individuelle Tugend, wandte er sich vom<br />

rechten Wege ab, dann durfte er nicht nur abgesetzt werden, nein<br />

das Volk hatte <strong>die</strong> moralische Pflicht zum Sturz <strong>die</strong>ses für das<br />

Gemeinwesen nun so gefährlich gewordenen Herrschers. Jene Gedanken<br />

waren in aller Klarheit von dem konfuzianischen Philosophen<br />

Menzius vertreten worden. Und sie gelangten, im Gefolge<br />

der Durchdringung Japans mit chinesischem Gedankengut, auch<br />

nach Japan.<br />

Bezeichnenderweise war es genau jener Punkt, d.h. <strong>die</strong> potentielle<br />

Absetzbarkeit <strong>des</strong> Kaisers, in welchem man in Japan dem chinesischen<br />

Vorbild nicht zu folgen bereit war. Zu stark waren <strong>die</strong><br />

Beharrungskräfte <strong>des</strong> alten Klan-Denkens, als daß das nun über<br />

das ganze Land herrschende „Sonnengeschlecht“ den Gedanken<br />

an einen – sogar legalen! – Machtverlust hinzunehmen bereit gewesen<br />

wäre. Die <strong>japanischen</strong> Herrscher, inzwischen Tennô,<br />

„Himmlischer Herrscher“ genannt, fühlten sich den chinesischen<br />

Kaisern durchaus ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen, <strong>und</strong> planmäßig<br />

ersann man am Kaiserhof eine eigene Form der Legitimation<br />

kaiserlicher Macht, <strong>die</strong> sich bewußt von der <strong>des</strong> Konfuzianismus<br />

abgrenzte.<br />

Man fand <strong>die</strong>se Legitimation in den überlieferten Mythen der<br />

herrschenden Familie, <strong>die</strong> vom himmlischen Ursprung <strong>des</strong> Urahns<br />

<strong>des</strong> Kaiserhauses berichteten <strong>und</strong> <strong>die</strong> lebenden Kaiser als direkte<br />

Nachfahren der Sonnengöttin offenbarten. Ihrem Enkel, dem ersten<br />

menschlichen Kaiser, <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Nachkommen, hatte <strong>die</strong><br />

Sonnengöttin demnach den Auftrag gegeben, das Land Japan zu<br />

beherrschen, <strong>und</strong> zwar für alle Zeiten <strong>und</strong> in einer einzigen Dy-

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